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Krokodil im Nacken

Krokodil im Nacken

Titel: Krokodil im Nacken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kordon
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bedrohen. Gewissenlose Verbrecher! Sie könnten uns helfen, solche Anschläge gegen den Weltfrieden aufzudecken.«
    Da hatte Lenz begriffen: Sie wollten ihn zum Spitzel machen! Er sollte mit ihnen zusammenarbeiten, sollte werden wie sie. Enttäuscht wandte er den Blick ab. Wie kamen diese beiden Aquariumbewohner nur dazu, ihm so etwas anzutragen? Womit hatte er das verdient? Schätzten sie ihn so ein, wirkte er so »formbar«?
    »Beweisen Sie uns, dass Sie fortan wieder ein aufrichtiger, zuverlässiger Bürger unserer Republik sein wollen«, fuhr der Schwammige fort. »Beweisen Sie uns, dass Sie dazugelernt haben in diesen Tagen, und wir reichen Ihnen die Hand, um Ihnen wieder auf die Füße zu helfen.«
    Ruhig, Manne! Begehre nicht gleich auf. Nutze die Gelegenheit und vernimm deine Vernehmer; schau mal nach, was sie sonst noch so auf Lager haben. »Und wie könnte das vonstatten gehen?«
    »Wir könnten Sie mit jemandem zusammenlegen, der kein Vertrauen zu uns hat. Jemand, der von einem gefährlichen Anschlag auf unsere Republik weiß, es uns aber nicht sagt. Sie haben ein offenes Gesicht, vielleicht fasst so ein Verstockter oder Überängstlicher zu Ihnen Vertrauen. Damit hätte sich dann auch das Thema Einzelhaft für Sie erledigt.«
    »Sie wollen mich zum Zellenspitzel machen?«
    Der Schwammige verzog das Gesicht. »Es gibt für alles die verschiedensten Ausdrücke, solche und andere. Sie sollten aber wissen: Die Maßnahmen, die wir zur Abwehr von Angriffen auf unsere humanistische Gesellschaftsordnung treffen, haben nichts mit der Bespitzelung fortschrittlicher Kräfte gemein, wie sie im Kapitalismus an der Tagesordnung sind.« Der Daumen, die Lippe, ein Blick zu Knut. »Vielleicht haben wir uns nicht klar genug ausgedrückt: Sie sollen nicht für uns arbeiten – wir bieten Ihnen die partnerschaftliche Zusammenarbeit an. Wir setzen auf Ihre Anständigkeit. Wer einen Fehler gemacht hat und daraus lernt, hat alle Chancen, wieder ein vollwertiges Mitglied der sozialistischen Gemeinschaft zu werden. Wir geben niemanden auf. Außerdem – Vertrauen gegen Vertrauen! – sage ich Ihnen ganz ehrlich, dass wir auf Leute wie Sie angewiesen sind. Ist doch eine alte Geschichte: Derjenige, mit dem man Tag für Tag von morgens bis abends in einem Verwahrraum zusammenhockt, wird einem mit der Zeit immer vertrauter. Ob man will oder nicht, irgendwann erzählt man diesem zweiten Ich sein Leben. Sie könnten wirklich und wahrhaftig helfen! Bedenken Sie das!«
    Knut: »Wer zu uns gehören will, muss sich zu unserer Verfassung bekennen. Darin ist festgehalten, dass jeder Bürger für den Schutz des Staates mitverantwortlich ist. Häftlinge sind davon nicht ausgenommen.«
    Der Schwammige: »Richtig! Und außerdem: Wer eine Bedrohung abwehren will, muss den Feind im Auge behalten – und dazu notwendigerweise auch nachrichtendienstliche Mittel einsetzen. Oder glauben Sie, der Feind ist in dieser Hinsicht zimperlich? Also: Was wir Ihnen anbieten, ist eine ehrenvolle Aufgabe. Schließlich ist unsere Politik identisch mit den Grundinteressen aller friedliebenden Menschen. Ausdrücke wie ›Spitzel‹ oder ›Denunziant‹ müssen Sie vergessen.«
    Lenz blickte sie an, seine beiden Gegenüber, und freute sich: Sie konnten ihn einsperren, konnten ihn tage-, wochen-, monatelang in Einzelhaft schmoren lassen, sie konnten ihm Hannah und die Kinder nehmen und über die weitere Zukunft der Familie Lenz bestimmen, zweierlei aber konnten sie nicht: Sie konnten ihn nicht zum Idioten und nicht zum Schmutzfinken machen. Da war ihre Macht am Ende. Wie befriedigte und bestärkte ihn dieses Gefühl, wie hob es sein Selbstbewusstsein.
    »Und was hätten meine Frau, meine Kinder und ich davon, wenn ich Ihr Mitarbeiter würde? Ich meine – ganz konkret!«
    Wie überrascht sie da aufblickten, seine beiden potenziellen Geschäftspartner. »Nun«, mühte sich schließlich der Schwammige um eine Antwort, »falls bei Ihnen die ehrliche Bereitschaft vorliegt, uns bei unserer schwierigen Arbeit zu helfen – wenn wir also eine Entwicklung zum Positiven sehen –, würde sich an der Einschätzung Ihres Falles sicher einiges ändern. Zunächst einmal könnten wir Ihnen gewisse Hafterleichterungen gewähren: Bücher, Zeitungen, Einkaufsmöglichkeiten, ein Wiedersehen mit Ihrer Frau, Briefe an die Kinder … Na ja, und wenn dann später auch das Gericht anerkennt, dass Sie wieder zu sich gefunden haben, könnte sich das auch auf das Strafmaß auswirken.

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