Kronhardt
Junggesellenbude schenkte er sich.
Erst als er vors Büro trat, brach es aus ihm heraus; ein archaisches Geschwemme, Bilder von grandiosen Schlachtfesten und kannibalischen Heldentaten, und so wollte er den Abschied kurz halten.
Die Alten saÃen hinter Geschäftsordnern. Die Mutter las Zahlenkolonnen vor, Kronhardt speiste die Rechenmaschine, und auÃerhalb davon existierte nichts. Ihre Gesichter schienen durchdrungen vom Fortbestand der eigenen Ordnung, und Diktat und Rechenmaschine zerhackten ringsherum jede andere Realität.
Willem stellte fest, daà die Ignoranz ihm guttat. Bald ahnte er hinter Diktat und elektronischem Rattern ihre Hilflosigkeit, und so ging er zum Schreibtisch, klopfte auf die Platte und sagte, alsdann. Er fand es seltsam, in diesem letzten Akt beinah eine Zärtlichkeit zu verspüren.
Stereoanlage und Platten hatte er auf der Rückbank verstaut, und als er im Vierten dahinzog, erschien ihm der Klang der Reifen anders; noch die StraÃen und die Stadt unter den hellen Wolken wirkten anders, und der Motor bullerte und trieb ihn hinaus durch Zeit und Raum.
Es war nicht wirklich viel, was die Packer in sein neues Zuhause getragen hatten. Anfangs brachten vor allem Schreibtisch und Bücherschrank neue Spuren, und auch Teleskop und Mikroskop konnten einen diskreten Wandel im Speicherhaus markieren. Doch seine Sachen paÃten sich erstaunlich schnell an; als rückkoppelten ihre Merkmale mit Barbaras Welt, und bald waren auch seine Kleider durchzogen vom Geruch ihrer Schränke. Nur seine beiden Lieblingsbilder, die Barbara expressionistisch verformte Realitäten nannte und gegen die sie sich anfangs sperrte, erschienen ihm erst mit der Zeit wie Eingesessene.
Wenn er auf dem Sofa lag, fand er nichts, was ihn störte. Rein dinglich, meinte er, war Anpassung sowieso nur ein abstrakter ProzeÃ, der zuletzt ohne Anspruch auf Gültigkeit in der Vorstellung eines Betrachters verblieb und sich kaum als Reaktion auf eine Umwelt festmachen lieÃ. Zwischenmenschlich sah die Sache schon anders aus, und hier, aus tiefer Entwicklungsgeschichte heraus, war Anpassung eine zumeist vorteilhafte Strategie. Auch wenn er die Jahre im Sippenverbund mit den Alten verbracht und aus Anpassung noch die BlutgefäÃe und Sehnen zu den Mahlzeiten geteilt hatte, war er Einzelgänger geblieben. Mit Barbara jedoch brauchte er nicht mehr an dieser Position festzuhalten. Er war bereit, zu geben, zu teilen und gemeinsam zu wachsen. Eigenschaften, Erfahrungen und Blickwinkel konnten sich immer wieder potenzieren, er spürte die Wirkung von gegenseitigem Vertrauen und Respekt, und es war ein wunderbares Gefühl, durchlässig und fest zugleich, eine Dimension, die er so weder für sich allein noch mit Schlosser erlebt hatte.
Barbara hatte alle Pläne zum Verkauf zurückgestellt. Das Geschäft hielt sie geschlossen, doch verbliebene Kunden bekamen jederzeit einen Termin. Anfangs ein KompromiÃ, stellte Barbara schnell fest, daà sie mit dem exklusiven Gefühl stimulieren konnte. Sie gewann neue Kunden, sie inszenierte kleine und teure Verkaufspartys im Speicherhaus, bald brachte sie Inéz in die Partys ein, bald rief die Tochter des Brauereidirektors an, bald eine Reedersgattin, und während Barbara einen 59 er-Stoff aus dem Dschabal-Hügelland entrollte, konnte die Spanierin alle Worte dazu sichtbar machen â so schnell war sie mit dem Kohlestift, als könnten sich ihre Entwürfe jederzeit in jeden Wunsch verwandeln, und wenn sie die Damenkörper abmaÃ, um alle Phantasie in stoffliche Realität umzusetzen, hinterlieÃen ihre zugleich zarten wie festen Hände keinerlei Zweifel.
Mit Barbara richtete sie einen exklusiven Atelierwinkel im Speicherhaus ein. Auch Willem brachte sich mit zwei, drei dezenten, aber auÃerordentlich stilsicheren Noten in das Atelier ein. Zur Einweihung stieÃen sie mit Bollinger an, Barbara bekam ein KüÃchen, Willem bekam eins, und dann hielt er beide Frauen im Arm und drückte sie.
Vor allem die konstruktive Art, mit der Barbara die anhaltende Konjunktur der Maschinenstickerei noch steigern konnte, imponierte der Schwiegermutter. Dabei war die Alte von Anfang an offen gewesen für Barbaras Ideen â jedenfalls insoweit, als sie ihr zuhörte, um sich die wirklich durchdringenden Brocken herauszupicken und sie dann später, gewissermaÃen gereift, als ihre eigenen Gedanken vorzustellen. Barbara hatte
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