Kronhardt
dann küÃte sie ihn, und jetzt hält er bereits ein elektronisches Ticket in der Hand. Heutzutage, meint er, geschehen die Dinge mit einer beziehungslosen Rasanz; ein paar Klicks, mit der sich jede Laune umsetzen läÃt. So sitzt er auf dem Sofa; sieht die Tänze am Hof von Queen Mary, sieht noch einmal die H-600-Kabine auf der Oberon.
Willem fliegt zum ersten Mal, und er muà auf Anhieb einsehen, daà die Verfahrensweise, um heutzutage an Bord eines Flugzeugs zu gelangen, nichts mehr mit damals zu tun hat, als sie auf der Oberon noch vom Zahlmeister empfangen wurden. Im Flughafen scheint er in jene rasante und geisterhafte Funktionalität eingesaugt, die mit ein paar Klicks sein elektronisches Ticket ausgespuckt hat, und so wird er von einer Sektion in die nächste geschleust, durch Röntgengeräte und Detektoren, und auch die Leibesvisitation hat nichts Menschliches mehr und wird wie maschinengesteuert nach dem Binärsystem durchgeführt.
Barbara und er kommen glatt durch; werden ins Flugzeug verbracht, auf ihre Sitze bis zum Schnappen der Gurte, und dann sitzt Willem da wie in einer anderen Welt. Die Stewardeà bringt seinen Sitz in korrekte Position, kontrolliert die Halterung des Tischchens, und Willem stellt MutmaÃungen an über ihr ewiges Lächeln. Fragt sich bald, ob die menschlichen Möglichkeiten zur Variation bereits aufgelöst und womöglich auch eingespeist sind ins binäre System.
Barbara lächelt, und als die Maschine in der Luft ist und nach einer kleinen Schleife über der Stadt westwärts schwenkt, streichelt sie Willem über den Kopf. Kaum ist die Oberon verschwunden, meint sie, kaum der Beruf des Zahlmeisters ausgestorben, da reagiert er auch schon hysterisch. Als wäre die vorangegangene Epoche immer besser als die nächste. Doch dabei ist jede Generation ausgerichtet auf Fortschritt. Und heutzutage nicht mehr aus einer Nation heraus oder einer Kultur, sondern in globaler Dynamik. Daà sich auf diese Weise auch die Merkmale kaum vergangener Zeiten auflösen, meint sie, ist normal und hat nichts mit genereller Entmenschlichung zu tun. Anstatt gegen fremde Stämme oder Wegelagerer reist man heute eben gegen die Möglichkeiten von Flüssigsprengstoff oder Polonium, und wenn Willem ehrlich sei, wäre die Art des Zahlmeisters damals vom gleichen Schlag wie heutzutage das Lächeln der StewardeÃ.
So sitzen sie über den Wolken, und irgendwo in Höhe der Doggerbank sackt die Maschine einmal in ein Loch, und die Anschnallzeichen ertönen. Weiter passiert nichts, und unter ihnen glitzert die Nordsee. Sie entdecken die Spur eines Schiffes; dann den Körper wie ein Insekt, mit der weiÃen Bugwelle voran, und dann küssen sie sich.
Custom affairs, electronic examination, X-ray â dauernde Kontrolle und ewiges MiÃtrauen erzeugen in den Schleusen einen unangenehmen Druck. Die englische Sicherheit in hochgerüsteten Uniformen, und noch die Hunde erscheinen Willem wie von Mikrochips gesteuert.
Vor den Black Cabs raucht Barbara eine Zigarette, und Willem kann sich daran erfreuen, mit rechts geeichtem Blick den Linksverkehr zu betrachten. Die Reihe der Wartenden ist lang, und ein Mann mit Turban schlendert sie ab und bietet an, Minicabs zu rufen. Willem gibt dem Mann ein Zeichen, und kaum später fährt bereits ein südkoreanisches Modell vor. Der Mann hinterm Steuer trägt ebenfalls einen Turban, er lächelt, drückt auf einen Knopf, und der Kofferraumdeckel springt auf. Sie müssen das Gepäck selber einladen, und während Barbara bereits im Fond sitzt, sieht Willem, daà eine groÃe Frau aus der Reihe tritt und ein vorfahrendes Auto besteigt. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie die Frau von den Steintreppen an der Weser. Dagmar Margulis hatte der Detektiv gesagt, doch Willem ist nicht sicher, ob sie es tatsächlich ist. Ebenso könnte sie die groÃe Frau sein, die hinter Konetzke her ist. Oder sonst eine Frau.
Der Zug paÃt in die neuen Zeiten und heiÃt Earl of Caledonia. Die GroÃraumabteile sind gläsern und klimatisiert, unter der Decke hängen die Kugeln der Ãberwachungskameras, und auf zentral installierten Monitoren laufen in Endlosschleifen schöne Menschen in einer Welt voll mit schönen Dingen. Und als langte das noch nicht, zieht eine rote Leuchtschrift durch die Abteile mit MaÃregeln zum korrekten Benimm.
Willem hält sich auch gegen diese
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