Kronjuwel (German Edition)
selbstverständlich, doch auch wenn Noah heftig protestieren wollte und wissen wollte, weshalb, war er nicht imstande es auszudrücken. Irgendetwas an seiner Besucherin hielt ihn fest in ihrem Bann und erlaubte es ihm nicht, den Mund zu öffnen, um etwas zu sagen.
»Ich weiß nicht, woher Sie ihn kennen oder was Sie mit ihm zu tun haben, doch egal, was Sie über ihn zu wissen glauben, muss ich Sie vor diesem Mann warnen.«
Endlich fand Noah seine Sprache zurück und sagte, »Ich weiß eigentlich gar nichts. Wir haben geschäftlich miteinander zu tun.« Im gleichen Moment wünschte er sich, das nicht gesagt zu haben. Woher sollte er wissen, dass er es nicht mit einer Polizistin zu tun hatte, die undercover ermittelte. Oder jemandem von der Konkurrenz, die Mr. Doyle erwähnt hatte. Doch dann sah er, wie die Gesichtszüge der Frau sich gänzlich veränderten und stellte seine Vermutung sofort wieder in Frage. Anstelle des neutralen, zurückhaltenden Gesichtsausdrucks war ein leichter Anflug von Abscheu getreten, der Noah tief traf. Es kam ihm vor, als blicke sie direkt in seine Seele, als würde sie ihn für die kriminelle Energie, die er jüngst an den Tag gelegt hatte, verurteilen.
»Geschäftlich«, wiederholte sie ihn.
»Naja, vielmehr ziehen wir es in Erwägung geschäftlich zusammen zu arbeiten«, versuchte Noah seine Aussage zu relativieren, doch wie ihm schien ohne Erfolg.
Dann, urplötzlich, zog sie aus einer der beiden Taschen ihrer Jacke einen Revolver und hielt ihn vor dem Bauch auf Noah gerichtet.
»Dann sind Sie einer von denen«, sagte sie und Noah merkte, dass sie sich bereit machte abzudrücken. Sein Herzschlag sprang augenblicklich in die Höhe und er spürte, wie es ihm schwerer fiel einen klaren Gedanken zu fassen, als der Adrenalinstoß einsetzte und sein logisches Denken unterband.
»Warten Sie«, schrie er laut aus und drückte sich dabei in einer unterwürfigen Geste gekrümmt und die Hände von sich gestreckt gegen die Fahrertür. Dann fuhr er fort und sprach dabei so schnell er konnte, um sie davon abzuhalten, abzufeuern,
»Es ist nicht so, wie Sie vielleicht denken. Ich habe diesen Mann heute zum ersten Mal getroffen. Ich bin Wissenschaftler, Archäologe, ich arbeite an der University of Oregon. Bitte nicht schießen, ich kann alles erklären.«
Er schloss die Augen und bereitete sich innerlich darauf vor, bald zum zweiten Mal den stechenden, hohlen Schmerz zu spüren, der ihn durchfahren hatte, als in Mexiko eine Kugel seinen Arm durchschlug, dieses Mal jedoch deutlich tiefer und deutlich schädlicher. Doch es kam nichts, keine Schuss erfüllte den Innenraum, kein warmes Blut strömte seine Seite hinab. Nach einigen Sekunden, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen, öffnete er die Augen wieder. Die Frau saß noch immer mit der Waffe vor dem Bauch da und sah Noah tief atmend an.
»Sie haben fünf Minuten, sich zu erklären«, sagte sie dann mit jetzt harter und kalter Stimme, die vor Wut zu zittern schien.
»Mein Name ist Noah Bishop«, begann Noah, ohne genau zu wissen, warum er es für wichtig hielt, ihr seinen Namen zu nennen, »ich bin Archäologe und Historiker. Ich war Teil einer Ausgrabung in Mexiko, wo unser Team einige sehr wertvolle Fundstücke aufgetan hat. Wir wurden von Mitgliedern eines Drogenkartells überfallen und haben so all unsere Forschungsergebnisse verloren. Bis auf ein Fundstück ist alles in die Hände unserer Angreifer gefallen. Diese alte Steinplatte habe ich an mich genommen und in das Land geschmuggelt. Ich will sie verkaufen und Mr. Doyle hat angeboten, mich an einen interessierten Käufer zu vermitteln.«
So kondensiert klang seine Geschichte noch abenteuerlicher, als Noah sie selbst empfunden hatte. Er spürte, dass Ava mit etwas völlig anderem gerechnet hatte und sah deutlich, wie Verwunderung ihre harten Gesichtszüge etwas aufweichte.
Sie sahen sich einige Augenblicke lang einfach nur an, beide schwer atmend und jeder für sich selbst unsicher, was sie als nächstes tun sollten. Dann drehte Ava sich plötzlich auf ihrem Sitz um, verstaute die Pistole wieder in ihrer Jackentasche und stieg aus. Sie schlug die Tür heftig zu und Noah blieb noch einen Moment lang fassungslos in seinem Auto sitzen. Er spürte, wie dieser unerwünschte Besuch ihn erschüttert hatte. Seine Hände zitterten, sein Puls raste noch immer und er fühlte sich, als würde sein Kopf gleich platzen. Er schloss die Augen und versuchte mühsam, sich zu beruhigen, sich einzureden,
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