Krumme Gurken

gehört hast, der niemanden kennt, kopier es trotzdem. Es ist extrem wichtig, diese Botschaft zu verbreiten! Und die Herzen, verdammt noch mal!!! Vergiss um Gottes willen nicht die verdammten Herzen!!!
     
    Ich kopierte die Herzen. Klar, nur aus Spaß und nur für mich. Als Exvampirjäger und Stuntman in Vampirfilmen kannst du nicht mit Herzen rumschwuchteln. Herzen würde ich nie und nimmer und nirgendwo einfügen. Das
machen nur Mädchen. Hmm … wie fühlt sich das aber an? Herzen reinzukopieren, wenn dich keiner dabei beobachtet ? Ich fügte die Herzen in das Kommentarfeld unter Saskias Meldung:So! Hmm … fühlte sich ganz gut an, sechs Herzen von MIR! Klar würde ich jetzt nicht auf KOMMENTIEREN klicken und meine Herzen auf die Webwelt loslassen. Nie! Das war nur ein Spielchen zwischen mir und mir, wollte die Herzen gleich löschen. So wie Rowdy seine Gurken-Chat-Antwort an Carmela gelöscht hatte. Wollte mich halt nur ein paar Augenblicke krass schwul fühlen. Ich tippte noch etwas Text dazu: Liebe, Liebe, Liebe!!! Etwas, was ein richtiger Mann nie schreiben würde! Und jetzt das Russische Roulette: Ich kreiste mit dem Zeigefinger über dem Balken: KOMMENTIEREN. Noch ein paar Sekunden. Gleich würde ich’s löschen …
    »Benniiieee!!!« Der Schrei ließ das Haus in seinen Grundmauern erschüttern. Mich auch: RUCK und ZUCK und KLICK! Mein Zeigefinger hatte tatsächlich aufs KOMMENTIEREN geklickt.
    Scheißeeee! Und schon jagten meine sechs Herzen auf die Bildschirme meiner 999 Freundinnen. Verdammt! Jedes Mädchen bei Facebook würde mich auslachen.
    Wie peinlich!!!
    Was jetzt?
    Ich heulte vor Unglück.
    Und noch mal von unten: »Benniiieee!!!« Mama war aus der Kantine heimgekommen.
    Ich riss meine Zimmertür auf. »Was is’n los, Mama?«
    »Carmela ruft an. Sie fragt, ob Rowdy bei dir ist. Er soll ihr was reparieren!«
    Ich lehnte mich über das Treppengeländer und guckte zu, wie meine Mutter unten am Telefon mit Carmela
sprach: »Was … wie heißt das Ding, Carmela? Belmondo? Ah … Nintendo!« Sie hielt die Sprechmuschel zu:« »Bennie! Ist Rowdy bei dir? Er soll Carmelas Belmo … eh Nintendo reparieren!«
    »Ist nicht da!« Ich ging wieder in mein Zimmer und schlug die Tür zu. Diese bescheuerte Carmela! Ich schnitt sie, so gut ich konnte, aber die blöde Tusse fand immer irgendein Schlupfloch. Und HUSCH! Schon schlüpfte sie durch, um mich fertigzumachen. Jetzt vernichtete ich mich wegen ihr sogar bei meinen Freundinnen im Web.
    Was tun also? Schadensbegrenzung konnte ich vergessen. Meine Liebesherzen wanderten schon durch die virtuelle Welt. Wenn du in der virtuellen Welt ein paar Herzen auf die Meute loslässt, kannst du sie nie mehr zurückrufen. Klar kannst du dich abreagieren. Zum Beispiel ein paar Mistroboter bei Half-Life niedermetzeln. Leider hatte ich den Shooter schon vor einem Jahr deinstalliert und das Spiel bei eBay verscherbelt. Adventures und Rollenspiele hatte ich aber genug. Unter anderem wartete Lost Horizon noch in der Schublade auf mich. Ich installierte das Spiel. Mal schauen, ob ich mein angeknackstes Selbstbewusstsein hinter dem Horizont finden würde.
     

     
    Als Erstes lasse ich den Helden, den Flieger Fenton Paddock, von den chinesischen Triaden in eine Holzkiste einsperren, die von den Schurken dann zugenagelt auf den Hafengrund geworfen wird. Fenton steht eingeklemmt in der Holzkiste, hält mit der Hand ein Loch im Brett zu, damit das Wasser nicht eindringen kann, und überlegt, wie er da wieder heil rauskommen würde. Erst jetzt geht’s
mir etwas besser: Schau, Mann! Fenton ist auch nicht so brutal gut drauf.
     

     
    Ich ließ Fenton in der Klemme hängen und guckte bei Facebook vorbei, ob schon der erste Spott da wäre.
    Ich kenne keinen anderen Mann, van Helsing, der Frauen so gut verstehen würde , schrieb Claudia aus Berlin als Kommentar zu meinen Herzen. Gleichzeitig postete sie eine Nachricht auf meiner Pinnwand. Weise, weise! Wie alt bist du eigentlich?
    28 schrieb ich, haute aber ein Smiley dazu – vielleicht würde die hübsche Claudia dann denken, dass ich nur scherze und in Wirklichkeit achtunddreißig bin. So wie sie. Schon trudelten ein paar andere Heiratsanträge rein. Mann, oh Mann! Als Sechzehnjähriger hast du in der Schule und in der Stadt so viel Stress mit Mädchen, aber im Web läuft alles wie geschmiert. Hier kannst du Frauen mit reinem Blödsinn beeindrucken. In der Welt draußen landet jedes Wort auf der Goldwaage, im Netz verzapfst du