Krumme Gurken
sprach eine eindeutige Sprache. Vor lauter Scham ließ ich noch einen fahren.
»Hast du nichts Vernünftigeres zu sagen?«, fragte Carmela.
»Was … w-was…«, stammelte ich hervor, »was … was machst du hier so spät?«
»Ich soll deinem Vater etwas ausrichten«, sagte Carmela. »Euer Telefon geht nicht.«
»Mein Vater schaltet das Telefon um zehn Uhr aus.« Ich seufzte.
»Eure Handys sind auch ausgeschaltet.« Carmela kam rein. »Dein Vater wird sich über die Nachricht freuen!« Sie ging ins Wohnzimmer.
Huch! Hab ich echt Carmela mit einem Furz begrüßt? Wenn sie das nach den Ferien in der Schule erzählen würde, war ich erledigt. Fassungslos stand ich im Flur und überlegte, ob ich mich gleich umbringen sollte. Besser ich verkroch mich erst mal in meiner Bude. Vielleicht konnte mich ja eines der Mädchen bei Facebook etwas aufbauen. Doch heute hat mir nur Mila eine Treasure-Isle-Anfrage geschickt, ein paar Freundinnen kommentierten sich gegenseitig ihre Fotoalben, viele posteten neue Fotos und neue Bilder und neue Videoclips, Veranstaltungseinladungen, Geburtstagshinweise und die üblichen Statements. Nichts Aufbauendes, kein verdammtes Herz!
»Bennie!«, rief meine Mutter aus dem Wohnzimmer. Ich trottete nach unten. Carmela hockte am Tisch und tat ganz unschuldig. Ganz schön verschlagen, die Tante. Auch Clara war inzwischen gekommen.
»Zum Ferienende ziehen wir um«, sagte Mutter. »Carmelas Onkel Alfred hat für euren Vater eine Arbeit in Bayern gefunden. Als Hausmeister.«
»In äm Mädlindernad!«, sagte Vati und grinste.
»In einem Mädcheninternat? Echt?« Im ersten Augenblick
hüpfte ich vor Glück: Endlich würde ich Carmela loswerden! Aber gleich packte mich das Grauen? »Bayern?«, fragte ich. »Das liegt doch gar nicht in Sachsen!« Alle guckten mich an, als ob ich was echt Blödes gesagt hätte. »Und Rowdy?«, fügte ich hinzu.
»Rowdy?«, fragte Carmela.
»Bennie und Rowdy sind sehr gut befreundet«, sagte Mama zu Carmela.
»Jetzt hör endlich auf mit dem Benniiee!«, sagte ich.
»Wieso, Bennie?«, sagte Carmela. Jetzt spielte die sich noch auf.
»Du und Rowdy hockt ja sowieso ständig am Computer«, sagte Mama. »Das könnt ihr doch auch auf die Entfernung machen.«
»Ja!«, sagte Carmela. »Ihr könnt online spielen!«
»Du solltest dir allmählich ohnehin ein schönes Mädchen suchen, Bennie«, sagte Mama. Bei Carmela zuckten die Lippen. »So eins wie Carmela!« Carmela hörte auf zu lachen.
»Und Rowdy auch!«, fügte Mama hinzu. »Vielleicht würde euch ein Mädchen den Computer ersetzen. Wieso Rowdy kein Mädchen hat, verstehe ich überhaupt nicht. So ein flotter Junge!« Carmela schoss Ketchup auf die Backen.
Holla! Ging da was ab zwischen Carmela und Rowdy? Ich wischte den Gedanken weg. Jetzt musste ich erst mal etwas anderes verdauen: Bayern!? In Bayern liefen doch noch Bären frei rum! Hmm … DSL würde man dort wohl haben. Ob wir aber unsere Band so auf Entfernung am Leben erhalten konnten? Autorennen zocken würden Rowdy und ich wohl zusammen nicht mehr. Mussten auf Online-Spiele umsatteln.
»Kann ich hier im Haus bleiben?«, fragte Clara. »Mit Kevin?«
»Kevin Kline?«, sagte ich. Vielleicht würde ich mit meinem Humor bei Carmela den Furz ausbügeln. Obwohl es jetzt ja sowieso egal war, was sie nach den Ferien in der Schule erzählte. Doch mein Witz gefiel Carmela nicht. Statt zu lachen, verdrehte sie nur die Augen.
»Idiot!«, sagte Clara.
Das sind halt unsere üblichen Gespräche. Seit Clara sich zur Krankenschwester ausbilden ließ, machte sie einen auf vernünftig und so. Früher war das Schwesterchen ziemlich ausgeflippt, hat am Valentinstag alle Schuhe von Vati rosa angestrichen und so ein Zeug. Aber wenn du täglich an lebenswichtigen Schläuchen herumwerkeln musst, hast du vernünftig und ernst zu werden, sonst kann’s lebensgefährlich enden – vor allem für die Leute, die an den Schläuchen hängen.
»Du bleibst vorläufig hier«, sagte Mama zu Clara, »und machst deine Lehre fertig. Wir können das Haus sowieso nicht verkaufen, bevor sich nicht zeigt, wie wir in Bayern zurechtkommen. Bennie geht aber dann in Bayern in die Schule!«
»Bänn!«, sagte Vater. »Bring de Carmeela heem! Die soll ni in dor Nachd alleene durch de Gegnd latschn.«
Ich begleitete Carmela die paar Straßen weiter, sagte aber kein einziges Wort zu ihr. Heute hat sie’s echt übertrieben: Zuerst die Ekschn am See – und dann knallt sie noch meine ganze
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