Krumme Gurken
über den Zaun geklettert. Der Ball lag unter dem offenen Schlafzimmerfenster der Gorskis. Armstrong wollte den Ball aufheben, hörte aber plötzlich, wie Mr Gorski und Mrs Gorski stritten. Mr. Gorski wollte von seiner Frau, dass sie ihm einen bläst. ›Was?‹, kreischte seine Frau. ›Ich soll dir einen blasen? Darauf kannst du warten, bis der kleine Neil auf dem Mond landet!‹«
Witz zu Ende.
Von unten kam gar nichts, kein einziger mickriger Lacher: Stille.
Hatte ich’s heute mit meinem ungesunden Selbstbewusstsein doch etwas übertrieben? Nee, oder? Hab ich mich gleich am Anfang im Mädcheninternat mit einer derben Internet-Legende voll erledigt? Ich Idiot!
»Hi, hi, hi…« Plötzlich ging das Gekicher los. Manche Witze brauchen halt eine längere Leitung, bis sie ankommen. »Ha, ha, ha!!!«
Wahnsinn! Wie ein Kalauer Frauen zum Lachen bringt. Das Gegröle unten wollte nicht aufhören. Ich war stolz auf mich!
»Das mit diesen Sätzen stimmt nicht«, sagte Anna. »Die Mondlandung wurde inszeniert.«
»Wie … inszeniert?«, fragte Katja.
»In einem Hollywood-Studio gefilmt«, sagte Anna. »Das ist nicht in echt passiert. Mein Papa hat’s erzählt. Das weiß doch jeder!«
»Nee, ne? Und warum?«
»Die Amerikaner wollten, dass die Russen denken, die Amis sind weiter in der Erforschung des Kosmos.«
Hmm … und das glaubte sie echt? Von solchen Verschwörungstheorien war das Netz voll. Aber manche Information musst du echt mit Vorsicht genießen. Das wusste doch jeder User in den Foren. Nur die Königin Anna nicht. Echt süß, oder?
»Gute Nacht, Hausmeistersohn!«, kam noch aus dem Loch.
»Gute Nacht, Zuckerschnecken!«
Na ja, ich geb’s zu, ›Zuckerschnecken‹ hab ich doch nicht gesagt. So ungesund selbstbewusst war ich noch nicht, auch wenn mich das dunkle Loch an der Heizung weniger nervös machte, als… na ja, als wenn ich Anna von Angesicht zu Angesicht begegnen würde: Anna, die Sonne meines heliozentrischen Systems … – ach, Anna, lass mich dein Armstrong sein, damit ich auf dir landen kann: Lass mich dein Planet sein, Anna, damit ich dich bis in alle Ewigkeit umkreisen kann. Deine Masse ist Klasse, du ziehst mich an
wie keine andere Sonne vor dir. Ich will dein Newton sein, der deine Anziehungskraft berechnet! Galileo, Kopernikus und Keppler zusammen, die dich wieder zur Mitte der Welt machen, dir deinen angestammten Platz im Weltall zurückgeben. Anna!!!
Boah! Ich hab die Frau nur einmal nackt hinter einem beleuchteten Fenster gesehen und schon war ich gnadenlos in sie verknallt. Von wegen ›die Jungs würden nur an das eine denken‹. Bei mir war’s gerade umgekehrt. Bei mir hatte ein nacktes Mädchen eine Lawine an romantischen (nicht sexuellen!) Gefühlen in Gang gesetzt. Rolling Stones! Eine Steinlawine! Jeder Brocken eine Wucht von Gefühl! Unglaublich! Du kommst nach Bayern und landest direkt als Minnesänger im Mittelalter.
Aber »Gute Nacht, ihr Süßen!«, hatte ich schon ins Loch geschleudert, so selbstbewusst konnte ich sein, das auf jeden Fall. Einen Ständer hatte ich überhaupt nicht. Das schwöre ich! Echt! Erst später im Traum. Aber das ist normal, oder?
Wenn Engel rocken
In der Früh weckte mich Nothing else matters von Metallica. Nicht aber von James Hetfield gesungen. Wieder war eher ein Engel im Spiel. Das überraschte mich aber langsam nicht mehr, Bayern hatte halt seine Eigenarten. Ich lag im Bett – ja, so muss das Aufstehen im Paradies sein:
So close, no matter how far
Couldn’t be much more from the heart
Forever trusting who we are
No, nothing else matters …
Schluss? Ich hüpfte zum Liebesloch und rief hinein: »Warst du’s, Mia?«
»Ups!«, kam es von unten. »Dich hab ich ganz vergessen. Ach je! War’s schlimm?«
»Das war schön!«, sagte ich. »Magst du Metallica?«
»Voll!«
»Wo hast du so klasse singen gelernt?«
»Von meiner Tante, die ist eine begnadete Jazz-Sängerin. Anna sagt aber, dass ich wie eine Kuh singe.«
»Du hast Talent!«, sagte ich. Im nächsten Moment war ich erschrocken über mich selbst: Hatte ich gerade der Meinung meiner Göttin Anna widersprochen? Zum Glück
in ihrer Abwesenheit. »Wieso bist du nicht in der Schule?«, fragte ich.
»Muss unserer Klassenlehrerin mit etwas aushelfen.«
Meine Mutter hatte uns in der Früh das Frühstück vorbereitet und war verschwunden. Sie sollte gleich heute mit ihrer Arbeit in der Internatküche anfangen. Wie üblich lagen drei Brote, belegt mit
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