Krumme Gurken
bin im Winter in die Elbe gefallen, Eisschollen um mich herum, mein Pimmel wird vor Kälte kleiner und kleiner, mein Pimmel verschwindet, ich lieg im kalten Wasser… Ha! Das hat geholfen. Mein Ständer ließ den Kopf runterhängen. Doch ich warf nur einen schnellen Blick nach unten, einen Augenblick der Dekonzentration, nur einen Blick auf die nackte Anna, und schon klemmte sich der Knüppel wieder zwischen die Äste, schon verband er mich mit der Baumkrone wie ein Fesselballonanker. Das Schlimmste aber sollte noch kommen. Vor lauter
autogenem Training am Pimmel musste ich plötzlich. Und wie! Na, vielleicht sollte ich doch einfach runterschiffen, die Mädchen würden denken, dass es zu regnen anfängt und würden abhauen. Saurer Regen halt. Verdammt! Ich krümmte mich auf meinem Ast wie eine Anakonda. O Gott! Das halt ich nicht aus! Schick einen Bär aus Österreich her, damit er die Mädels vertreibt. Dann werde ich an dich glauben! Und da zeigte der bayerische Gott sein Erbarmen mit mir: Alle Mädchen schlüpften ins Wasser.
Ich rutschte den Baumstamm runter wie ein Table-Dance-Girl an ihrer Chromstange. Nur hatte ich eine zweite Stange dabei, die bei dieser Fahrt nach unten einige Kratzspuren abbekam: »Aaah! Autsch!«
Und schon – HOPP, HOPP! – zu meinen Klamotten – diesmal in den richtigen Busch. Ich packte die Sachen und jagte davon. Erst nach einem Kilometer hielt ich an und schlüpfte in die Kleider. Mann! War ich ein Glückspilz?
Anna am Anfang
Am Nachmittag blieb ich lieber zu Hause. Zuerst flötete ich mich mit meinem Instrument in Dust in the wind hinein. Nach der Musik lag ich auf meinem Bett, das Buch über urbane Legenden vor Augen wie ’ne Götzenbibel. Nur keine Abenteuer mehr heute. Bitte! Doch! Ich hab Fenton und Kim vergessen. Na, dieses Adventure war doch ganz ungefährlich – zumindest für mich:
Fenton zögert nicht, nimmt auf dem Felsvorsprung einen Anlauf, als der Lastwagen mit den Nazis und Kim gerade unter ihm fährt, und springt. Gut gelandet! Auf der Ladefläche erledigt Fenton einen Nazi. Kim hockt mit einem SS-Mann und dem Fahrer in der Kabine des Lastwagens. Doch plötzlich schießen die Soldaten vom folgenden Lastwagen auf Fenton. Der Laster mit Fenton und Kim überschlägt sich und stürzt in die Tiefe. Brennendes Wrack unten im Tal. Zum Glück hat sich Fenton oben durch einen Sprung von der Ladefläche gerettet. Doch Kim verbrennt unten in den Trümmern. Kim tot! War’s ein Omen für meine Zukunft?
Ein Klopfen an der Tür riss mich aus Tibet direkt in die Gegenwart. »Benn?«
»Ja?« Ihre Stimme hatte meinen Hirnpropeller wieder mal rotieren lassen. Die Schnur der Überraschungen im Mädcheninternat schien mit unzähligen dicken Perlen behangen zu sein. Ich sprang auf. »Ist offen!«
Anna tauchte in der Tür auf. An Gott glaubte ich nicht. An Engel, wie gesagt, schon. Dieser da konnte all die Engel, die mir damals in der Dresdener Straßenbahn über den Weg flügelten, in seine Engeltasche stecken: Schneeweißer Minirock, schneeweißes T-Shirt. Nur die Flügel fehlten ihr. Abheben wollte aber ich: Von Vanillesoße keine Spur. »Dein Vater hat mich reingelassen«, sagte sie.
Ziemlich leichtsinnig der Vati, dachte ich. Ein Mädchen in das Zimmer eines Sechzehnjährigen zu schicken.
»Spielst du Tischtennis?«, fragte Anna.
»Klar!«, sagte ich und beglotzte ihr weißes T-Shirt und ihren weißen Minirock. Diesmal waren auch ihre Converse weiß. Als ob sie an einer Modenschau für den Bund der deutschen Tennisspielerinnen teilnehmen sollte.
»Unten im Keller gibt es Tische.«
»Darf ich da rein?«
»Wo rein?«
Ach, so! Erst jetzt fiel mir ein, wie ungesund selbstbewusst doppeldeutig meine Frage gewesen war. »Na, in den Keller, Groupie!«, sagte ich und packte Anna am Kinn… nein, nein! Hatte ich nicht gemacht. So weit waren wir noch nicht. Auch das »Groupie« hatte ich weggelassen.
»Selbstverständlich kannst du in den Keller mitkommen«, sagte Anna. »Bei uns kann jeder herein. Wir sehen das nicht so eng hier.« Die Kette an doppeldeutigen Sprüchen schien nicht abzureißen.
»Du sprichst ein so schönes Deutsch«, sagte ich.
»Mein Papa sagt, dass man seine Sprache wie eine Visitenkarte mit sich trägt. Du solltest an deiner Sprache etwas arbeiten!«
»Geht klar!«, sagte ich und Anna seufzte.
Wir liefen durch den Hof zum Haupteingang des Klosters. Gleich dahinter führte eine Treppe in den Keller runter. Ruhe. Stille.
Weitere Kostenlose Bücher