Krumme Touren in Texas
Zeit, Schwester Jasmine
aufzusuchen.
Anice war sauer, als ich sie bei Park ließ, aber es
ging nun mal nicht anders. Ich konnte nicht noch
einmal riskieren, daß auf sie geschossen wurde.
Ich schaltete das Licht ein, haute den Starter rein
und fuhr zum Shepherd Drive. Das Bible Cyclorama
war ein riesiger, kreisrunder weißer Bau aus Beton
und Balkenwerk. Den Hauptteil des Gebäudes
bildete eine zweigeschossige Kuppel mit einem
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Planetarium
zur
Auslegung
von
Bibelprophezeiungen durch den Stand der Sterne.
Weiße Scheinwerfer strahlten die Vorderfront an.
Offensichtlich ging Schwester Jasmine heute abend
ihrem Geschäft nach – Seelen retten. Die Leute
sammelten sich draußen und warteten geduldig, daß
sie eingelassen wurden – manche in Lumpen und
Fetzen, manche in Samt und Seide. Ich parkte den
Wagen und ging hin, um zu sehen, was es zu sehen
gab. Irgendwie wurde ich in das Gebäude geschoben.
Eigentlich wollte ich draußen bis nach dem
Gottesdienst warten, um Schwester Jasmine zu
interviewen, aber da ich schon mal drinnen war,
beschloß ich, mich zu setzen und das Schauspiel zu
genießen.
Der Zuschauerraum war groß, mit etwa
fünfhundert gepolsterten Drehstühlen. Und der
Laden hatte eine Klimaanlage. Das machte fast eine
Gläubige aus mir. Wenn der Herr dich bei dieser
Hitze abkühlen konnte, dann gab es kein Halten
mehr, was er sonst noch alles deichseln konnte. Ich
lehnte mich entspannt zurück und streckte die Beine
aus. Eine Frau schob einen Mann in einem großen
Holzrollstuhl durch das Seitenschiff. Eine andere
Frau um die Vierzig mit schneeweißem Haar, die
einen purpurroten Chortalar trug, erschien auf der
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Bildfläche und trat ans Chorpult. Ihr blasses Gesicht
sah hart genug aus, um einen Baseball aus dem
Wrigley Field zu schlagen.
Genau um acht Uhr gingen die Lichter aus, und
die
Frau
schwenkte
langsam
einen
Punktscheinwerfer über die riesigen Wandgemälde
mit biblischen Ereignissen, wobei sie die Szenen
erläuterte. Am Ende des Vortrags kamen von
irgendwoher
gedämpfte
Orgelklänge.
Der
Scheinwerfer erlosch, eine indirekte Beleuchtung ging
langsam an, und zum ersten Mal war das ganze
Wandgemälde vollständig zu sehen.
Dann war der Raum in totales Dunkel gehüllt.
Plötzlich flammten starke Leuchten hinter riesigen
Spiegeln auf, die auf der Rückseite mit religiösen
Szenen bemalt waren. Durch das grelle Licht hinter
den Spiegeln wirkten die Szenen gespenstisch
lebensecht.
Das Publikum machte Ah und Oh und hielt
verblüfft und gespannt den Atem an. Ich mußte
zugeben, es war beeindruckend.
Als die Lichter wieder angingen, stand Schwester
Jasmine anstelle der weißhaarigen Frau am Chorpult.
Sie trug einen weißen Chortalar und hielt die Arme
zu einem V über dem Kopf. Die Gemeinde machte
wieder Oh.
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Ihre Predigt bestand im wesentlichen aus einem
Haufen Gefühlsduselei, aber die Menge liebte das.
Ihr starrer Blick wanderte durch den Raum, während
sie sprach. Ungefähr in der Mitte der Predigt blieb er
beunruhigenderweise ganz in meiner Nähe haften.
Ich sah verstohlen zur Seite, um festzustellen, was sie
anschaute.
Sie versprach das übliche ewige Leben jenen, die
glaubten, und Höllenfeuer und Verdammnis jenen,
die nicht glaubten, dann stimmte sie ein paar fetzige
Choräle an. Zum Schluß erbot sie sich, die Seelen
derjenigen zu retten, die zu ihr gekommen waren.
Einige gingen zu ihr, und sie umarmte sie, und alle
strahlten und waren gerettet. Ich bemerkte, daß der
Mann
im
Rollstuhl
nicht
aufstand
und
Freudensprünge machte, aber was soll’s, man kann
nicht alles haben.
Als die Vorstellung zu Ende war und alle mit
guten Absichten und Frömmigkeit gestopft waren
wie ein Weihnachtstruthahn, standen wir alle auf, um
im Gänsemarsch aus der Kirche zu ziehen. Ein großer
Mann in einem marineblauen zweireihigen Anzug
mit einem krummen Zinken im Gesicht tauchte wie
durch Zauberei an meiner Seite auf und faßte mich
am Arm.
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»Kommen Sie mit«, sagte er mit einer Stimme, die
klang, als würde er Dynamit zum Frühstück essen
und die Lunte zum Mittagessen anzünden.
»Gute Güte. Was für eine unwiderstehliche
Einladung.«
Der Schrank sagte nichts weiter, sondern stieß
mich zu einer Tür im hinteren Teil des Gebäudes. Wir
betraten einen breiten, schwach erleuchteten Flur,
bogen nach rechts und marschierten zügig zur letzten
Tür auf der linken Seite. Auf einem
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