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Krumme Touren in Texas

Krumme Touren in Texas

Titel: Krumme Touren in Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Powell
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Messingschild
    stand »Reverend«. Der große Mann öffnete die Tür
    und bedeutete mir mit einem Kopfnicken,
    hineinzugehen. Ich ging hinein. Es schien einfach
    angebracht. Der große Kerl blieb im Flur und schloß
    die Tür. Vermutlich stand er Wache.
    Das Büro war dunkelgrün gestrichen, das
    Balkenwerk war aus gebeiztem Kiefernholz. Zwei
    rosarot bezogene Lehnstühle standen vor einem
    rotlackierten Schreibtisch, ein weißes Sofa nahm die
    Wand rechts von mir ein. Das Zimmer war überladen
    mit Büchern, Teppichen und Pflanzen.
    Ehrwürden selbst saß hinter dem Schreibtisch auf
    einem hohen rotlackierten Stuhl. Sie hatte ihren
    Chortalar abgelegt und trug ein dunkelgrünes Kleid.
    Als ich eintrat, lächelte sie mich an.
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    »Soso, Miss Carpenter. Ich dachte nicht, daß ich
    Sie so bald wiedersehe. Sind Sie wegen geistlicher
    Anleitung hier?« Sie griff beiläufig über den
    Schreibtisch nach einem Päckchen Luckies, nahm eine
    heraus, zündete sie mit einem Streichholz an,
    schüttelte das Streichholz langsam aus und ließ es in
    einen großen Marmoraschenbecher fallen. »Warum
    nehmen Sie nicht Platz?«
    Ich setzte mich, ohne etwas zu sagen.
    Sie holte eine Karaffe aus einem Schreibtischfach.
    »Brandy?«
    »Klar.« Ich zuckte die Achseln.
    Sie lachte leise in sich hinein und schenkte uns ein,
    dann
    kam
    sie
    und
    reichte
    mir
    einen
    Kognakschwenker. Als ich das Glas nahm, setzte sie
    sich vor mich auf die Schreibtischkante, schlug die
    Beine übereinander, nippte an ihrem Brandy und
    betrachtete mich neugierig. Wir saßen ein paar
    Minuten schweigend da, dann sagte sie: »Tragen Sie
    immer Hosen, wenn Sie in die Kirche gehen?«
    »Um ehrlich zu sein, ich bin keine Kirchgängerin.
    Eigentlich wollte ich heute abend nicht zum
    Gottesdienst, ich bin sozusagen nur von der Menge
    hineingedrängt worden. Tatsächlich bin ich
    gekommen, um mit Ihnen über Waymon Stovall zu
    sprechen. Ich nehme an, Gott war so verblüfft, mich
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    in der Kirche zu sehen, daß er nicht darauf geachtet
    hat, wie ich angezogen war.«
    Sie gluckste, ihre grünen Augen glitzerten wie die
    eines Sperlings, der hinter einem besonders
    knackigen Wurm her ist.
    »Schicken Sie immer einen Schläger, wenn jemand
    Ihre Kleiderordnung verletzt?«
    Sie lachte wieder, dann trank sie ihren Brandy aus
    und schenkte uns noch einen ein. Sie beugte sich
    langsam vor, zog die Schuhe aus und ließ sie neben
    meinen Füßen zu Boden fallen. Dabei sah sie mir
    unentwegt in die Augen. Ich spürte, wie sich eine
    heiße Röte an meinem Hals bildete und mir
    kribbelnd
    ins
    Gesicht
    stieg
    wie
    eine
    Heuschreckenplage, die das Land überzieht.
    »In meiner Kirche können Sie tragen, was Ihnen
    gefällt, Hollis. Ist es in Ordnung, wenn ich dich
    Hollis nenne?«
    Ich nickte.
    »Um die Wahrheit zu sagen, mir gefällt’s, wie du
    dich anziehst«, wurde sie deutlicher und lächelte
    mich an.
    Kruzifix, hörte sie denn gar nicht mehr auf?
    »Mache ich dich nervös?« fragte sie mit tiefer
    Stimme und legte ihre Füße auf meinen rechten
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    Oberschenkel. Mein Gesicht würde mit Sicherheit für
    immer rot bleiben. Sie lachte wieder.
    Ich war froh, daß wenigstens eine ihren Spaß
    hatte. Ich wußte nicht, was ich erwartet hatte, aber
    das hier wäre mir im Traum nicht eingefallen. Der
    Brandy tat endlich seine Wirkung. Ich trank in
    kleinen Schlucken und sann über diesen neuen
    Religionstrend nach. »Vielleicht wäre ich schon eher
    zur Kirche gegangen, wenn ich gewußt hätte, wie du
    Seelen rettest, Schwester.«
    Sie lächelte. »Die Wege des Herrn sind
    unergründlich.«
    »Allerdings.«
    »Mir gefällt, wie du aussiehst. Findest du mich
    schön, Hollis?«
    »Ich finde, du siehst nicht schlecht aus«, murmelte
    ich. Ich würde Shakespeare in absehbarer Zeit keine
    Konkurrenz machen. Sie langte rüber und schüttete
    mein Glas voll. Ich entspannte mich allmählich.
    »Machst du das oft, Schwester?«
    »Was?«
    »Deine Gemeindemitglieder verführen.«
    »Tue ich das?« fragte sie.
    »Fühlt sich so an. Ich wußte nicht, daß du Frauen
    magst.«
    »Ich liebe alle Kinder Gottes, Hollis.«
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    Das war eine hübsche Art, es auszudrücken.
    »Auch die kleinen Deppen?«
    Eine Sekunde wurden ihre Augen schmal, dann
    warf sie den Kopf in den Nacken und lachte.
    Ich lachte ebenfalls. Wir blieben eine Weile dabei.
    Ich hatte nicht damit gerechnet, daß der Abend so
    ausgelassen werden würde.
    »Was wolltest du eigentlich mit mir besprechen,
    Hollis?« fragte

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