Kryptum
paar Säcke, aus denen rötliche Fäden ins Meer rieselten. Anscheinend widmete sich der Kapitän heimlich dem Schmuggel von Safran, den er im Kielraum versteckte, um keinen Zoll zahlen zu müssen. Dies war bisher wohl niemandem aufgefallen. Es war nur so, daß dieses Mal die verzögerte Abfahrt seine Ladung verdorben hatte, da er im Hafen das Versteck nicht hatte lüften können, so daß der feuchte Safran zu gären und zu stinken begonnen hatte.
Des weiteren berichtete mir der Kaffeehändler, daß die Männer, die sie im nahe gelegenen Hafen von Dschidda empfangen sollten, sich um alles gekümmert hätten und nun zum Aufbruch nach Mekka rüsteten. Angesichts meiner extremen Schwäche hatte mir Sidi Bey fürsorglich ein Kamel mit einer Sänfte beschafft, in der ich trotz der schwankenden Bewegungen des Tieres recht gut reisen würde.
Nach der abenteuerlichen Schiffsreise zog unsere Karawane nun durch lichte Haine und sanfte Hügellandschaften, bis wir zu einer Schlucht kamen, die hinauf auf einen Bergpaß führte, wo mich dann bei Sonnenuntergang lautes Geschrei aus meinem Dämmerschlaf weckte.
Was sich da meinen Augen bot, war ein denkwürdiges Schauspiel. Vor uns lagen die ersten Häuser Mekkas. Es waren Schreie des Jubels, die die Pilger ausgestoßen hatten, gestandene, wettergegerbte Männer, die nun von ihren Reittieren sprangen und mit Tränen in den Augen die Erde küßten. Viele Jahre lang hatten sie zum Gebet den Blick fünfmal pro Tag gen Mekka gewandt. Und nun lag es plötzlich zum Greifen nahe vor ihnen, das Heiligtum aller Heiligtümer, die Wiege Mohammeds, das Herz des Islam. Selbst ich, noch ganz geschwächt vom hohen Fieber, vermochte meiner Ergriffenheit kaum Herr zu werden.
|556| Mit einer großen Reiterschar und prächtigem Gefolge kam der Großscherif von Mekka uns entgegen, um die neue
Kiswa
in Empfang zu nehmen, und der helle Klang der Fanfaren und die Schläge der Pauken schallten weit über die umliegenden Felsen. Auf dem Weg hinunter in die Stadt war dann auf einmal wieder Sidi Bey an meiner Seite, der mir erklärte, er würde sich sehr geehrt fühlen, mich in seinem Heim beherbergen zu dürfen, das sehr groß sei und unweit des Ortes liege, wo der Prophet das Licht der Welt erblickt habe. Da offenbarte ich meinem Gastgeber meinen Wunsch, gleich nach unserer Ankunft beim Großscherif vorzusprechen, um ihn nach den Kodizes von Rubén Cansinos zu fragen. Sidi Bey warf mir daraufhin einen forschenden Blick zu, bevor er mit höflichen Worten durchblicken ließ, daß ich vor allem anderen die Kaaba aufzusuchen hatte, sobald ich mich wieder auf den Beinen halten konnte. Diese und andere Bemerkungen, die ich in den folgenden Tagen zu hören bekam, machten mir deutlich, daß er sehr darauf achtete, daß ich die Pflichten, die jedem guten Moslem an diesem weihevollen Ort oblagen, auch erfüllte. Er hatte wohl seine Zweifel daran, daß ich diese Pflichten in allen Einzelheiten kannte, ging dabei aber sehr vorsichtig vor, um mich nicht zu kränken.
Sobald wir ausgepackt hatten, nahmen wir am ganzen Körper eine rituelle Waschung vor und machten uns danach auf den Weg zu der nahe gelegenen heiligen Stätte. Mekkas Haram war wirklich beeindruckend. Vor uns erstreckte sich ein riesiger Innenhof, in dessen Mitte sich der geheimnisumwobene Würfel erhob, den Hunderte von Tauben umflatterten und um den sich eine Flut von lärmenden Pilgern drängte. Wie sie umschritten wir dann siebenmal die Kaaba, die dabei immer zu unserer Linken liegen mußte, und priesen Allah mit lauter Stimme, und bei dieser heiligen Handlung war etwas von jener Kraft zu spüren, die seit undenklichen Zeiten die Menschen diese Kultstätte umrunden läßt, so als könnten sie damit das ganze Universum in Bewegung halten. Denn es heißt, die Welt werde zugrunde gehen, wenn die Menschen die |557| Kaaba nicht mehr umkreisen, da dies die Bewegung der Sterne am Himmel widerspiegele.
Sowie wir uns der Kaaba näherten, konnte ich sehen, daß das riesige schwarze Tuch den Sockel des Gebäudes freiließ, an dessen südöstlicher Ecke der Schwarze Stein eingelassen war, den Abraham vom Erzengel Gabriel erhalten haben soll und der von schwarzen Eunuchen bewacht wurde. Als ich an der Reihe war, ihn zu küssen, erschauderte ich. Er hatte die Form eines Herzens, das unter dem vom Wind bewegten Stoff zu pochen schien, als empfinge es den Herzschlag all der Gläubigen, die sich ihm tagtäglich aus allen vier Himmelsrichtungen zuwenden und so ihre
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