Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
Lordmasters. Wir haben alle gesehen, wie der Lordmaster unseren Bruder Kaysahan tötete. Der Zeuge Nonjal bestätigte die schwere Misshandlung durch den Lordmaster und die Verstümmelung eines Kaptans der Sonnenreiter. Ihr habt Kaptan Brairac gesehen. Fiel Euch nicht auf, dass diesem Sonnenreiter das Bein fehlt? Madhrab nahm es ihm, ohne Alternativen zu prüfen. Darüber hinaus gestand Madhrab die Hinrichtung eigener Krieger. Waren es dreißig oder einhundert? Die Zahl der getöteten Kameraden ist ohne Bedeutung. Einer wäre bereits zu viel gewesen. Mit eigener Hand führte Madhrab vor den Augen der versammelten Verteidiger den ersten Todesstoß. Er schickte zu Beginn der Schlacht hundert unschuldige Frauen in einem Sturmlauf gegen die Reihen der Rachuren in den Tod. Die Grausamkeit des Bewahrers während der Schlacht kannte keine Grenzen und setzt unseren Orden in ein sehr schlechtes Licht. Wir erinnern uns mit Schrecken an den Bericht des Heilers Nonjal über die Gräueltaten des Lordmasters, der uns weiters darüber unterrichtete, dass Madhrab den Schänder Grimmgour am Leben und zu allem Überfluss auch noch freiließ. Damit nicht genug, befahl er Nonjal, die Wunden des schwer verletzten Rachurengenerals zu verbinden. Das nenne ich eine Verbrüderung mit dem Feind. Er tat sich mit einem Saijkalsan zusammen und setzte verbotene Magie ein, die wir strikt ablehnen müssen. Offenbar kannte der Lordmaster keine Skrupel. Statt jedoch die Gefahr für die Klanlande endgültig zu bannen, schuf er eine neue Gefahr, die sich jederzeit verwirklichen kann. Durch Madhrabs Unfähigkeit als Befehlshaber fielen in der Schlacht mehr als einhundertdreißigtausend Kriegerinnen und Krieger. Unsere Verteidigung wurde für viele Sonnenwenden entscheidend geschwächt. Und täglich fordert die Seuche weitere Opfer, weil er es verabsäumte, die Körper der Toten beseitigen zu lassen, und ihr Leichengift nun die Lebensgrundlage vieler Dörfer und Höfe entlang des Rayhin vernichtet. Das ist alleine die Schuld des Angeklagten. Erschwerend erheben wir den Vorwurf der Unzucht mit einer Orna zur Befriedigung der niedersten Triebe, die eines Bewahrers nicht würdig sind.«
Ein entsetztes Raunen ging durch die in der Kammer anwesenden Klan. Der letzte Anklagepunkt war zu Beginn der Verhandlung nicht vorgebracht worden. Ein behaupteter Verstoß gegen die Ordensregeln der Bewahrer und der Orna, der äußerst schwer wog, wenn er sich denn bestätigen sollte.
»Wisst Ihr um Eure letzte Behauptung, Lordmaster Chromlion? Und könnt Ihr diese beweisen? Wir sollten dem Angeklagten Gelegenheit geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern«, meinte der zur linken Hand des hohen Vaters sitzende Bewahrer Master Golad.
»Ein Bruch unserer Regeln ist nicht hinnehmbar. Entweder wir befragen den Gefangenen erneut über die Tat oder die betroffene Orna belegt die Behauptung«, ergänzte der an der anderen Seite Boijakmars sitzende Bewahrer Master Vakadhrab.
»Wozu soll das gut sein?«, fragte Chromlion. »Wir haben die von Sick bestätigten Geständnisse. Die Aussagen und Reaktionen Madhrabs waren eindeutig. Das hohe Gericht selbst hat den Kerkermeister beauftragt, den Gefangenen zu befragen. Sick ist bekannt für seine Gewissenhaftigkeit. Noch nie zuvor hat das Gericht an den Worten des Meisters gezweifelt.«
»Lordmaster Chromlion hat recht«, sagte Boijakmar, »was soll eine Anhörung noch bringen? Die erhobenen Vorwürfe wurden durch Zeugenaussagen und Geständnisse leider bestätigt. Ich bin sehr enttäuscht über die jüngste Entwicklung des Lordmaster Madhrab und hätte ein frevlerisches Verhalten dieses Ausmaßes niemals für möglich gehalten.«
»Wie lautet also Euer Urteil, Bewahrer?«, forderte Chromlion das Gericht erneut auf.
Die Bewahrer hinter dem Verhandlungstisch berieten sich tuschelnd mit Boijakmar. Sie flüsterten dem hohen Vater ihre aus der Verhandlung gewonnenen Einschätzungen ins Ohr. Offenbar waren sie sich nicht einig und der stets als besonnen bekannte Golad wollte eine Anhörung des Angeklagten bei den beiden anderen Richtern durchsetzen. Boijakmar überlegte lange mit geschlossenen Augen, bevor er sich schließlich seufzend erhob und müde in die Runde der Versammelten blickte.
»Das Gericht hat ein Urteil gefällt. Erhebt Euch von Euren Sitzen«, donnerte er.
Die anderen an der Sitzung Beteiligten folgten der Anweisung des obersten Gerichts und standen ebenfalls auf.
»Das oberste Gericht der Bewahrer befindet den Bewahrer
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