Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
lassen. Das war nur billig und gerecht. Vielleicht hatte er Glück und die Sarchas würden Madhrab und Elischa einholen, bevor diese den Weg über den Pass antraten. Eine vage Hoffnung, auf die der Bewahrer nicht wetten wollte.
Die Versammlung im Wirtshaus wurde auf Chromlions Geheiß beendet. Er ließ die Dorfbewohner aus der Stube treiben und wies die Sonnenreiter an, sich Unterkünfte zu suchen. Jeweils zwei Krieger in einem Haus. Die Eigentümer mussten ihre Sachen packen und wurden in den Ställen und Scheunen untergebracht. Vorräte und Vieh wurden von den Sonnenreitern beschlagnahmt. Der Lordmaster gönnte sich selbst ein üppiges Mahl und quartierte sich in der besten Kammer des Wirtshauses ein. Die übrigen Bewahrer bezogen das Haus von Madhrabs Familie, deren Besitz nach dem Urteil des hohen Gerichts an den Orden übergegangen war.
*
»Hör auf!«, schrie Elischa.
Das Flötenspiel des Jungen versetzte die Orna in Angst und Schrecken. Für ihre Ohren wurde der Klang der Töne unerträglich und verursachte ihr Kopfschmerzen. In ihrem Bauch begann sich das Kind zu drehen, wild zu treten und zu boxen. Jeder Tritt gegen ihre Bauchdecke versetzte ihr einen schmerzhaften Stich.
Madsick nahm die Flöte von den Lippen und starrte Elischa entgeistert an. »Gefällt Euch meine Musik nicht?«, fragte der Junge.
»Nein, sie ist erschreckend«, antwortete Elischa wahrheitsgemäß. »Das ist keine Musik in meinen Ohren. Was du mit deiner Flöte hervorbringst, ist gefährlich. Die Töne scheinen mir, ähnlich denen eines Todsängers, magischen Ursprungs. Sie greifen nach dem Innersten und der Seele eines jeden, der sie vernimmt. Also, lass es sein und warte, bis Madhrab zurückkommt.«
Madsick nickte und steckte die Flöte in einen passenden Lederbeutel, der an der Seite seiner Beinkleidung mit Schnüren befestigt war.
Kampfeslärm, Schreie, Flüche und das grauenhafte Gewinsel verwundeter oder sterbender Sarchas drangen in die Passhütte.
»Meine Tiere!«, hörte Elischa eine verzweifelte Stimme rufen, die sich rasch in Zorn verwandelte. »Bei allen Kojos, was hast du angerichtet? Du verdammter Bastard von einem Bauern brachtest meine wunderbaren Tiere um. Ich habe viele Sonnenwenden gebraucht, mir das Rudel aufzubauen und die Tiere für die Jagd abzurichten. Mein ganzes Werk ist zerstört. Das wirst du mir büßen!«
»Dann komm und wir bringen es zu Ende«, erwiderte die ihr vertraute Stimme Madhrabs.
Ein gurgelnder Schrei durchschnitt die Stille der Nacht und wurde als Echo mehrmals von den Felswänden zurückgeworfen.
Wenig später flog die Tür auf und Elischa wich geistesgegenwärtig einige Schritte in den Innenraum der Hütte zurück, jederzeit bereit, ihren Stab gegen unliebsame Gäste einzusetzen.
In der Tür stand Madhrab. Seine Kleidung war an den Beinen und Armen zerrissen und an vielen Stellen mit Blut beschmiert. Madhrab sah müde und blass aus. Er blutete aus zahlreichen Wunden und sein Atem ging stoßweise. In der rechten Hand hielt er einen abgeschlagenen, noch vor Blut triefenden Kopf an dessen dunklem Haarschopf. Die Orna kannte das Gesicht des Geköpften nicht, der sie aus vorwurfsvollen, toten Augen anstarrte und erschauern ließ.
»Das war der Letzte«, sagte Madhrab, »der Anführer der Sarchas. Macht euch keine Sorgen mehr. Sie sind alle tot«.
»Aber du bist verletzt«, stellte Elischa betroffen fest, »lass mich deine Wunden versorgen.«
»Aye«, bestätigte Madhrab, »ich kann deine Hilfe gut gebrauchen, nachdem mich das Flötenspiel des Jungen beinahe das Leben gekostet hätte. Wo ist er überhaupt?«
Madhrab sah sich im Inneren der Hütte um und erspähte Madsick in der Ecke hockend. »Komm heraus, die Gefahr ist vorüber. Du hast die Sarchas mit deinem Flötenspiel rasend gemacht und meine Sinne gelähmt. Sie hätten mich in kleine Stücke gerissen, wenn du es nicht beendet hättest. Wolltest du mich töten?«, fragte er vorwurfsvoll.
»Nein, Herr. Ich wollte helfen und dachte, die Blutjäger würden durch mein Lied schläfrig werden«, antwortete Madsick betroffen.
»Ich will dir glauben, selbst wenn es mir im Augenblick schwerfällt. Aber du bist gefährlich und wirst nicht mit uns kommen«, entschied Madhrab. »Bei Tagesanbruch gehst du zurück ins Dorf Kalayan. Frage dort nach Nythrab. Sage ihm, dass ich dich geschickt habe und er sich um dich kümmern soll. Er ist mein Bruder und wird dir helfen.«
»Aber Herr, ich wollte mit Euch über den Pass gehen. Ich könnte
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