Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
möglich, mehr als zehn Fuß in den düster anmutenden Wald hineinzusehen. Ohne jeden Zweifel, das war Faraghad. Der uralte Wald, um den sich viele unheimliche Geschichten und Gerüchte rankten.
Mancherorts wurde erzählt, die Bäume des Waldes flüsterten miteinander und führten ein merkwürdiges Eigenleben. In anderen Legenden wurde behauptet, der Wald sei ein Kojos und besitze ein schlagendes Herz in seiner Mitte. Schauermärchen eben, die den Klankindern von den alten Großmüttern im ganzen Land mit auf den Weg gegeben wurden. Der Faraghad erstreckte sich über eine weite Fläche des Kontinentes Ell und galt in seinem uralten Herzen als unentdeckt.
Sicher war jedoch, dass große Teile des Faraghad von Baumwölfen beherrscht wurden. Jenen mörderischen, intelligenten und in Rudeln auf den Bäumen lebenden Raubtieren, denen kein Klan je freiwillig begegnen wollte.
Die Sonnen von Kryson waren von dunklen Wolken bedeckt, hatten in ihrem Lauf die Mittagsdämmerung Tsairu bereits hinter sich gelassen und zeigten ihr Antlitz an diesem Nachmittag nur noch selten.
Auf der Pritsche des offenen Wagens hatte sich die Fahrt für die Reisenden schnell als eine höchst unbequeme Angelegenheit herausgestellt. Der Kutscher trieb die Pferde immer wieder zur Eile an, wodurch der Wagen mitsamt seinen Insassen ein ums andere Mal gehörig ins Schlingern geriet und die Reisenden ordentlich durchgeschüttelt wurden.
Seit dem verheerenden Ende der Schlacht an den Ufern des Rayhin waren zwei Tage vergangen. Sie waren ohne längere Rast gefahren und hatten selbst den Pferden nur kurze Pausen für Fressen und Trinken gegönnt.
»Bis hierher und nicht weiter«, rief Jafdabh plötzlich und zog die Zügel des Vierspänners kräftig an.
Die Kutsche blieb sofort stehen, wobei die Reisenden durch den schnellen Halt beinahe vornüber vom Wagen geschleudert wurden. Der Todsänger Nalkaar blickte den auf dem Kutschbock an seiner Seite sitzenden Todeshändler überrascht an. Was hatte er vor? Jafdabh musste einen üblen Scherz gemacht haben. Er konnte ihn und Grimmgour doch nicht am Rand des Faraghad-Waldes absetzen wollen.
Der Anführer der Rachuren befand sich in einem erbärmlichen Zustand. Madhrab hatte ihm während der Entscheidungsschlacht am Rayhin alles genommen. Arme, Beine und seine Männlichkeit hatte Rajurus Sohn durch des Bewahrers Hand verloren. Anschließend hatte dieser die Wunden des schwer verstümmelten Körpers von einem Heiler versorgen lassen. Er sollte leben, nur um dann hilflos seinem Schicksal und den Aasfressern überlassen zu werden.
Nalkaar und Jafdabh hatten eine Vereinbarung getroffen. Der Todeshändler sollte sie in Sicherheit bringen. Im Gegenzug wurde er für diese Dienste nicht schlecht bezahlt.
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Nalkaar.
»Tja … nun … Ihr müsst wissen, für Euch endet die Reise an dieser Stelle. Ich werde Euch und den jammernden Krüppel nicht durch den Faraghad-Wald begleiten. Steigt von meinem Wagen ab«, antwortete Jafdabh mit einer Gelassenheit, die ihresgleichen suchte.
»Ihr wollt uns hier alleine zurücklassen? Das kann nicht Euer Ernst sein«, erwiderte Nalkaar verärgert.
»Tja … doch. Ich sollte Euch und den Schänder vor den Klan in Sicherheit bringen. Ihr wurdet von den Ufern des Rayhin wie versprochen weggebracht. Die Klan werden nicht nach Euch suchen. Mein Teil der Vereinbarung ist damit erfüllt«, sagte Jafdabh.
»Wie stellt Ihr Euch das vor? Ich kann Grimmgour niemals durch die Wälder schleppen, geschweige denn seinen Körper von Eurem Wagen heben«, antwortete Nalkaar.
»Tja … so, wenn das Euer Problem ist, dem kann abgeholfen werden«, meinte Jafdabh und stieg kurzerhand vom Kutschbock auf die Ladefläche des Wagens.
Der Todeshändler packte Grimmgour mit beiden Händen unter den Armstümpfen und warf ihn geschwind vom Wagen. Jafdabh handelte schnell. Nalkaar begriff kaum, wie ihm und seinem Schützling geschah. Der Rachure stöhnte und verfluchte Jafdabh lautstark, als sein zerschundener Körper schutzlos auf die Erde neben den Rädern der Kutsche prallte.
»Seid Ihr komplett von Sinnen?«, rief Nalkaar entsetzt. »Ihr werdet Grimmgour sofort wieder auf den Wagen heben oder ich werde Euch dazu zwingen.«
»Tja … ähm … nein. Versteht mich bitte nicht falsch. Ihr seid fürwahr ein guter Kunde und bezahlt angemessen und pünktlich für Eure Dienste. Ich will mich nicht beklagen. Aber ich werde Euch nicht durch den Faraghad-Wald bringen. Das war
Weitere Kostenlose Bücher