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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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als natürliche Fähigkeit von Geburt an mitgebracht.
    Doch das war es nicht allein, was die Fürstin an Tomal beunruhigte. Im Laufe der vergangenen Monde hatte sie bei ihren Beobachtungen den Eindruck gewonnen, der Junge besitze ein unstetes Wesen. An manchen Tagen war er kaum zu ertragen, versteckte sich in dunklen Kammern, um mit seinen Schneetigern allein zu sein und irgendwelche, für Alvara unbegreiflichen Talente auszubrüten. Sein Blick war mitunter wie das kälteste Eis selbst, dass einem das Blut in den Adern fror und das Herz stehen blieb. Lediglich Baylhard schien mit Tomals Wesen keinerlei Schwierigkeiten zu haben und fürchtete sich nicht. Wenn Tomal konnte, mied er an jenen dunklen Tagen seines Seins das Licht und den Kontakt mit anderen. Er war dann meist missgelaunt und mürrisch. Niemand außer Baylhard, der stets wusste, wo sich der Junge aufhielt, wagte es, ihn in solchen Momenten anzusprechen, ohne dafür mit höchst unangenehmen Situationen und Gefühlsausbrüchen konfrontiert zu werden, die oft einer Bestrafung gleichkamen.
    Tomal hatte Alvara gebeten, die Fenster in seiner neuerdings eigenen Kammer mit dicken Tüchern und Fellen verhängen zu lassen. Als Begründung hatte er angegeben, das grelle Licht tue seinen Augen weh. An anderen Tagen wiederum war er geradezu besessen darauf, sich mit allem zu beschäftigen, was mit Licht zu tun hatte. Dann war sein Wesen voller Freude und Sanftmut. In jenen Momenten war er äußerst gesprächig und mitteilsam. Wahrscheinlich musste sich Alvara im Laufe der Zeit mit diesen plötzlich auftretenden Stimmungsschwankungen anfreunden, wenn sie Tomal verstehen und von ihm respektiert werden wollte. Je länger sie den Jungen beobachtete, desto eher gewann sie den Eindruck, dass eine der beiden Seiten seines Wesens bedingt stärker ausgeprägt war und die andere an Häufigkeit und Dauer übertraf. Zu ihrem Leidwesen war es die düstere Ausstrahlung und nicht die eines fröhlichen, vom Licht begeisterten Jungen. Sie konnte die Dienerschaft schon verstehen, wenn diese sich über Tomal beschwerte und sich zuweilen vor ihm fürchtete. In ihren Augen war er von einer Art Besessenheit befallen, die ihn unberechenbar und gefährlich machte. Was sollte werden, wenn er größer wurde und eines Tages das Erbe des Fürstenhauses antrat? Im Zwiespalt, ob sie den Jungen auf das Verschwinden Elischas ansprechen sollte, hatte sie ihn bislang von dieser Frage ausgenommen. Es fiel ihr nicht leicht, sein Verhalten auf eine solche Nachricht einzuschätzen. Tomal hing an Elischa, mehr als ihm selbst bewusst oder auch lieb war. Dennoch hatte er Elischa mit seiner Ablehnung vor den Kopf gestoßen. Die Freundin hatte sich bei der Fürstin über diese neue Verhaltensweise ausgeweint. Sie hatten lange miteinander geredet, und Alvara hatte versucht, Elischa über die Ablehnung hinwegzutrösten, indem sie behauptete, dies sei lediglich eine Stufe in der kindlichen Entwicklung und gehe gewiss bald vorüber.
    Hatte sich Alvaras Gemüt über Elischas Verbleib anfangs noch mit vornehm fürstlicher Zurückhaltung und Gelassenheit gezeigt, so steigerte es sich in den letzten Tagen zu einer regelrecht panischen Suche nach Antworten und war von großer Sorge, Ungeduld und sogar Furcht geprägt. Sie hatte alle im Palast in die Suche einbezogen und sie mit ihren Fragen in Aufruhr versetzt. Doch alle Maßnahmen hatten sich als erfolglos erwiesen. Sie beschloss daher, Tomal zu berücksichtigen und fand ihn nach eindeutigen, aber verzweifelten Hinweisen durch die Dienerschaft wieder einmal, unter dem wachsamen Auge Baylhards, mit den Schneetigern eine Welle der Zerstörung zurücklassend durch die Flure toben. Baylhard begrüßte die Fürstin mit einem verschmitzten Lächeln.
    »Macht Euch keine Sorgen, meine Fürstin«, rief er ihr entgegen, »ich habe alles im Griff.«
    »Das sehe ich«, meinte Alvara. »Es mutet beinah so an, als sei ein ganzes waffenstarrendes Heer durch die Flure gezogen und habe seine deutlichen Spuren hinterlassen.«
    »Es ist nur Eis, Herrin«, beschwichtigte Baylhard, »und davon gibt es wahrlich genug.«
    »Wenn Ihr es sagt, dann könnt Ihr Euch anschließend an die Aufbereitung machen. Die Dienerschaft wird es Euch gewiss ewig danken, wenn Ihr ihnen die Arbeit einer Woche abnehmt. Aber deswegen bin ich nicht gekommen, Baylhard. Ihr wisst, warum ich Euch und Tomal aufgesucht habe?«
    »Der gesamte Palast redet davon. Es betrifft Elischa, nicht wahr? Was kann ich für Euch

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