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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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überrascht, wie schwer es ihm fallen sollte, sich damit zurechtzufinden. Die Klan neigten in beengten Verhältnissen und unter solchen Umständen der Not dazu, sich entsprechend zu organisieren, und hatten den jeweils Stärksten als ihren Anführer auserkoren. In der ersten Orientierung war es ihm nicht gelungen, den Richtigen gleich zu Beginn herauszufinden. Das war ein Fehler, den er schon in der ersten Nacht zu spüren bekam. Die Ketten banden ihn, behinderten ihn, seine Fähigkeiten zu nutzen, und machten ihn zu einem Gleichen unter vielen. Schnell bemerkte er, dass die stärksten Insassen hart im Nehmen waren, und nicht nur das, sie waren geradezu meisterlich darin, auf das Übelste und ohne Rücksicht auf Verluste auszuteilen. In seinen kühnsten Albträumen hatte er sich diesen Schrecken nicht einmal ansatzweise ausgemalt. Chromlion hatte den Eindruck, dass die meisten unter ihnen keine Klan waren. Sie waren wilde Tiere. Schlimmer als das. Ein Tier entwickelte selten eine solche Grausamkeit, wie sie die Gefangenen von Harrak an den Tag legten.
    Die eisernen Bänder an Hals, Füßen und Händen hatten seine Knöchel längst blutig gescheuert, außerdem besaßen sie die unangenehme Eigenschaft, in besonders kalten Nächten an den offenen Wunden festzufrieren. Lediglich der unbedingte Überlebenswille hatte ihn bislang davor bewahrt, es den Seinen gleichzutun und jenen Unglücklichen in die Schatten zu folgen. Die Arbeit am Tage war nicht weniger anstrengend. Mit bloßen Händen schlugen sie Eisblöcke aus dem Eis und formten Quader für Quader aus Schnee, die sie gebückt zu bereitgestellten Schlitten zogen, bis ihnen der Rücken schmerzte und die Finger bluteten, Nägel abbrachen, und schließlich, steif und blau gefroren, nicht mehr zu bewegen waren. Zu essen und trinken gab es nahezu nichts. Der Lordmaster musste sich daran gewöhnen, Schnee zwischen den klammen Fingern zu schmelzen, wenn er Durst hatte. Einmal in der Woche wurden meist schon verdorbene Abfälle über die Mauern geworfen, um die regelmäßig ein nie zuvor gesehener Kampf entbrannte. Ein einziges Chaos brach aus, wenn es darum ging, sich die besten, zum Überleben notwendigen Happen zu sichern. Wer zu langsam oder zu schwach war, ging meist leer aus und musste über kurz oder lang verhungern. Zu teilen kam angesichts der knappen Nahrungsmittel nicht infrage. Mitleid für andere Mitinsassen wurde gnadenlos mit dem unweigerlichen Tod bestraft. Dies bereitete Chromlion allerdings am wenigsten Probleme. Er hatte zeit seines Lebens nie gerne geteilt.
    Der Anführer der Insassen nannte sich Jakkard und war einer der finstersten Klan, die Chromlion je kennengelernt hatte. Der Lordmaster hatte sich nicht vorstellen können, dass es solch ein Wesen überhaupt auf Ell geben konnte. Die anderen Häftlinge des Lagers sprachen aus Furcht vor Jakkard nur im Flüsterton über ihn, wenn sie sich überhaupt daranwagten, von ihm zu erzählen. So hatte sich Chromlion die spärlichen Informationen mühsam erbetteln müssen. Was er erfahren hatte, konnte ihn zwar nicht schockieren, verlangte ihm allerdings einigen Respekt vor Jakkard ab. Der finstere Gefangene stammte aus Eisbergen und hatte dort das gut gehende Geschäft eines Schlachters betrieben, der das Fleisch selbst zubereitete und verkaufte.
    Jakkard war kahlköpfig und besaß kantige Gesichtszüge. Ein langer und ungepflegter roter Vollbart zierte Wangen, Oberlippe und Kinn. Die blassblauen Augen wirkten eiskalt und zu klein unter der wulstigen Stirn. Der Mann besaß offenbar keinen Hals, den er ihm hätte durchtrennen können. Der Kopf saß stattdessen auf dicken Muskelsträngen, die sich wie zwei untereinanderliegende Wülste am Nacken abhoben. Sein Brustkorb glich dem eines großen Weinfasses. Der Fleischer war groß gewachsen und überragte Chromlion um eine halbe Kopfeslänge. Erstaunlich war vor allem die Körperbreite des Metzgers. Es war schwer zu sagen, ob der Anteil an Fett den an Muskeln überwog oder umgekehrt. Der Lordmaster konnte sich schwerlich vorstellen, wie dieser Mann durch eine normale Tür passen sollte. Erhob Jakkard die Stimme und brüllte seinen Frust über die Gefangenschaft in das ewige Eis, gingen die klugen Gefangenen und Wächter in Deckung. Chromlion erinnerte sich an die Erzählungen über Grimmgour den Schänder. Der Rachure galt unter den Klan als der Inbegriff des Schrecklichen; einer der ungehemmt und grausam gegen seine Feinde vorging, schenkte man den Veteranen des

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