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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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und Seele immer schmutziger zu werden, nahm zu. Es gab eisige Nächte in Harrak, in denen Jakkard überraschend liebevoll und zärtlich sein konnte und seine Braut in der Nacht mit seinem Körper behutsam wärmte. Allerdings waren dem Bewahrer diese Berührungen und die Nähe zu seinem Peiniger fast noch unangenehmer als die ansonsten vorherrschende Gewalttätigkeit, die keine Verweigerung duldete.
    Chromlion handelte sich dadurch die Häme der anderen Gefangenen ein. Sie nannten ihn spottend die süße und willige Braut des Fleischers. Das war ihm jedoch gleichgültig. Er wollte leben. Sie hingegen würden alle sterben für die Schmach, die sie ihm in jenen Tagen der Gefangenschaft antaten. Ihre Gesichter brannten sich in sein Gedächtnis. Jedes einzelne von ihnen. Zu seinem eigenen Erstaunen fiel er ob der wiederkehrenden Behandlungen in eine Art Lethargie und gewöhnte sich notgedrungen daran. Was ihn durchhalten ließ, war der Gedanke, dass Jakkard, indem er den Lordmaster zur Befriedigung seiner Triebe nach Belieben benutzte, sein eigenes Todesurteil gefällt hatte.
    Der Lordmaster lag in den Armen Jakkards, als unter den Wachen auf den Mauern ein plötzlicher Aufruhr herrschte. Zwei der Wachen fielen mit durchtrennten Hälsen über die Mauern in das Innere des Lagers. Sofort machten sich die Gefangenen über die gefallenen Wachen her, zogen ihnen die Kleider und Stiefel vom Leib, rissen ihnen mit bloßen Händen Fleischstücke aus dem Leib und tranken begierig das Blut, bevor dieses gefror. Jakkard stieß den Bewahrer unsanft in die Rippen.
    »Los, mein Liebster«, raunte er Chromlion ins Ohr, »hol dir deinen Teil. Du hast ihn dir redlich verdient.«
    »Lieber nicht«, lehnte der Bewahrer angewidert ab, »sieh nur, was dort drüben los ist. Die anderen Gefangenen kämpfen bis aufs Blut um jeden Bissen Fleisch.«
    »Ah … verzeih mir meine Unaufmerksamkeit«, lachte Jakkard, »ich vergaß für einen Moment, dass du mein Weib bist und eine Memme aus gutem Hause noch dazu. Drecksarbeit verrichten und Nahrung beschaffen ist Männersache, willst du mir sagen. Jetzt muss Jarrak also ran …Ich frage mich, wie aus dir jemals ein Bewahrer werden konnte.«
    »Entbehrung und stete Übung. Und nein, das sage ich nicht. Aber dem Wahnsinn muss ich mich nicht anschließen«, erwiderte Chromlion verärgert, »außerdem widert mich die Vorstellung an, das Fleisch anderer Klan essen zu müssen. Alleine der Gedanke bereitet mir Übelkeit.«
    »Du willst doch überleben, nicht wahr?«, meinte Jakkard. »Das ist gutes, frisches Fleisch, das dir Stärke und Durchhaltevermögen verleiht. Etwas anderes wirst du nicht bekommen. Also steh auf und geh zu den anderen dort drüben, bevor sie dir nur noch die Knochen übrig gelassen haben. Sie werden dir Platz machen. Bring mir ein großes Stück aus dem Oberschenkel mit.«
    Jakkard zog den Lordmaster unsanft auf die Beine und gab ihm einen kräftigen Klaps auf den Hintern. Es hatte keinen Zweck. Chromlion musste tun, was er verlangte, wenn er ihn nicht verärgern wollte. Langsam schleppte er sich mit klirrenden Ketten zu den bereits stark gefledderten Leichen der Wachen. Wie sollte er aus dieser Schweinerei noch ein vernünftiges Stück Fleisch für Jakkard ergattern? Den im Lager durchaus üblichen Kannibalismus, den vor allem Jakkard eingeführt hatte und in regelmäßigen Abständen gemeinsam mit anderen Gefangenen geradezu zelebrierte, hatte Chromlion von Anfang an abgelehnt, obwohl die Überlebensstrategie der sich durch das Fleisch der Mithäftlinge ernährenden Insassen durchaus Erfolg versprechend war. Die Wachen ließen die Gefangenen in dieser Hinsicht – obschon sie über das Verhalten zuweilen ungläubig den Kopf schüttelten – gewähren. Solange sie ihre Zahl gegenseitig dezimierten und ihren Appetit auf frisches Fleisch nicht auf die lebenden Wachen ausdehnten, lohnte es sich nicht, den Kannibalismus zu unterbinden.
    Von den Mauern drangen Kampflärm und Schreie in das Innere des Lagers. Irgendetwas griff das Lager an, dem die Wachen offenbar nicht gewachsen waren.
    »Wir werden angegriffen!«, rief eine Stimme, und eine andere, »Bei den Kojos, was ist das? Geister? Jemand muss die Eiskrieger holen«, und wieder eine andere, »Verdammt …ich kann nichts sehen.«
    »Die Gefangenen fliehen!«, schrie plötzlich eine Wache. »Zieht die Gatter hoch! Lasst die Schneetiger los.«
    »Nein … halt! Nicht die Tiger«, wollte eine weitere Wache das drohende Chaos verhindern,

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