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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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verdichtete sich zu einer traurigen, aber wunderschönen und dieses Mal sogar harmonischen Melodie. Die Drachen waren aus ihrem Schlaf erwacht und wanderten unruhig in ihren Turmzellen hin und her. Sie hatten ein ausgezeichnetes Gehör und einen besonders ausgeprägten Sinn für Gefahren. Das Brüllen aus siebenundzwanzig Drachenkehlen dröhnte durch die Felsenstadt. Als der Gesang des Todsängers an Intensität zunahm, waren die meisten Tartyk nicht in der Lage, der Verlockung zu widerstehen. Sie traten vor ihre Türen, um die Ursache der Musik zu erforschen. Bis auf einen. Der Yasek blieb in seinem Haus.
    Calicalar brütete in einer Arbeitskammer über zahlreichen Schriftrollen, als der Gesang bis zu ihm vordrang und ihn stutzig werden ließ. Er zog die Augenbrauen überrascht nach oben. So etwas Schönes, Bewegendes und zugleich Abstoßendes hatte er nie zuvor gehört. Der Anführer der Drachenreiter horchte auf.
    »Valkreon«, rief er nach seinem alten Diener, »hörst du das auch? Sieh bitte nach, wer draußen singt und welche Absichten der Sänger verfolgt.«
    »Ich höre nichts, Herr Yasek«, antwortete Valkreon, als er die Kammer des Drachenreiters mit einem Staubwedel betrat, an dessen Ende lange und bunte Vogelfedern befestigt waren.
    »Du bist alt und deine Ohren sind schlecht geworden, mein Freund. Vielleicht wird es langsam Zeit für dich, die Ruhe zu suchen und meine Dienste zu verlassen«, sagte Calicalar.
    »Euch verlassen, Herr? Niemals! Ich diene Euch schon so lange. Einen Großteil meines bescheidenen Lebens widmete ich Eurem Wohlergehen. Schickt mich nicht weg, Calicalar. Ich bitte Euch, das wäre mein Ende, und ich wüsste nicht, wohin ich gehen sollte.«
    »Du hast mich falsch verstanden, Valkreon«, tröstete Calicalar den Diener, »ich sagte nicht, dass ich dich nach all den Sonnenwenden treuester Dienste wegschicken würde. Du bist ein Teil meiner Familie. Nein … du bist meine Familie. Und nun sieh bitte nach, wer dort draußen eine Vorstellung vor unserem Haus gibt. Schenke ihm eine Handvoll Anunzen, sollte er nicht freiwillig aufhören.«
    »Sehr wohl, großer Yasek«, nickte Valkreon eifrig, »ich werde gleich nachsehen.«
    Während sich Valkreon schwerfällig zur Eingangstür schleppte, um diese zu öffnen und nach dem Rechten zu sehen, spürte Calicalar einen plötzlichen Schmerz in Brust und Kopf. Es kam ihm vor, als würde sein Herz in tausend Teile zerrissen. Seine Hände verkrampften sich über dem Zentrum des Schmerzes. Der Drachenreiter realisierte in jenem Augenblick, in welch tödlicher Gefahr sich die Tartyk befanden. Dieser Gesang stammte nicht von dieser Welt, dessen war er sich sicher. Das war keine Magie, die von den Drachen stammte, diese fremde Art jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Je intensiver und lockender der Gesang wurde, desto weniger war Calicalar in der Lage, sich der Wirkung zu entziehen. Aber alle Versuche, zu entkommen, waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
    Die Drachen brüllten in ihren Türmen. Auch sie hatten die Gefahr erkannt, die sie unerwartet aus ihrem Schlummer gerissen hatte. Calicalar konnte sie durch den sich stetig steigernden Gesang bis in die inneren Räume seines Hauses schreien hören. Ihre Stimmen suchten nach ihm, verlangten die Hilfe und Entscheidung des Anführers.
    »Großer Yasek, was geht hier vor sich? Wir sind besorgt und spüren den Schmerz. Jemand greift nach den Seelen der Drachenreiter. Die Gefahr ist groß und wächst mit jedem Ton. Schon lösen sich die ersten Seelen von uns, werden uns mit Gewalt entrissen. Unsere heilige Verbindung zerbricht, wird für immer zerstört durch eine fremde Magie, gegen die wir nichts ausrichten können. Wir sind machtlos. Yasek, hilf uns, sonst sind die Tartyk verloren. Das Drachensterben hat begonnen. Was sollen wir dagegen ausrichten?«
    Calicalar sank auf die Knie. Er konnte ihnen nicht helfen, wo er sich doch selbst in höchster Not befand und ihn der Gesang bis aufs Blut quälte. Die Schmerzen und Hilflosigkeit der Drachen gegen die unbekannte Gefahr stürzten den Yasek in eine tiefe Verzweiflung. Wenn die Drachen dem Angriff nicht widerstehen konnten und die Drachenmagie auch keinen Ausweg wusste, wie sollte er eine Lösung finden. Ihre Machtlosigkeit war die seine. Wenn er denn wenigstens gewusst hätte, wer oder was die Tartyk angriff und was sich dahinter verbarg. Das Lied zerrte an seinen Nerven, entfachte ein nie zuvor erlebtes Feuer an Gefühlen, die er nicht

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