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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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an unsichtbaren Fäden einer Hexe hing. Der Todsänger blickte Grimmgour in die Augen. Er musste sich anstrengen und dabei nach oben sehen, denn der Krieger erschien ihm noch größer als zuvor. Gähnende Leere stierte ihm aus teilnahmslosen Augen entgegen.
    Was hat sie aus ihm gemacht? , fragte sich Nalkaar insgeheim.
    Der Todsänger hatte kein Mitleid mit Grimmgour. Solche Gefühle waren ihm von jeher fremd. Er war der Überzeugung, dass der Rachure sein Schicksal in all seiner Abscheulichkeit verdient hatte. Dennoch war ihm nicht wohl bei dem Gedanken, was aus dem einst prahlerischen Anführer geworden war. Eine seelen- und geistlose Kreatur, die kaum noch natürliche Züge aufwies. Sie hatten ihn in eine Vollkörperrüstung gesteckt, die Joffra, der Meisterschmied, eigens für den Rachurengeneral angefertigt hatte. Darunter befanden sich die künstlich geschaffenen Glieder aus Blutstahl. Dort, wo einst seine Männlichkeit geprangt hatte, die ihm den wenig schmeichelhaften Namen des »Schänders« einbrachte, ragte nun ein stählerner Dorn hervor. Nalkaar traute seinen Augen kaum, als er den spitzen, überlangen Dorn betrachtete, der als abschreckendes Folterinstrument gedacht war, wie der Todsänger vermutete. Rajuru wies zuweilen eine maliziöse Ader auf, wenn es darum ging, sich Eindruck vor ihren Feinden zu verschaffen. Sie wusste genau, welche Wirkung die zusätzliche Waffe auf Grimmgours Gegner zum Zeitpunkt des Wiedererkennens erzielen würde.
    Furcht! Das ist es, was sie will. Die Klan sollen Grimmgour fürchten und in ihm den Schänder sehen, der ihre Frauen missbrauchte. Die Rache der Hexe wird perfekt sein, wenn er genau dies wieder tut, wovor sie sich während des Eroberungsfeldzuges am meisten ängstigten. Doch dieses Mal wird er keinen von ihnen verschonen. Der Krieger wird Frauen wie Kinder in seinem Hass einfach abschlachten, ging es Nalkaar durch den Kopf.
    »Was ist mit Euch, Nalkaar?«, fragte Rajuru. »Ihr blickt, als sehet Ihr meinen Sohn heute zum ersten Mal. Möchtet Ihr dem Eroberer nicht die Ehre erweisen?«
    »In gewisser Weise sehe ich ihn tatsächlich zum ersten Mal. Zumindest das, was aus ihm geworden ist, meine Gebieterin«, gab Nalkaar zu.
    Aber Nalkaar tat ihr den Gefallen und beugte sein Haupt vor Grimmgour, nur um ihm danach sofort wieder in die toten Augen zu sehen, der Frage nachgehend, ob er dort nicht irgendeinen Funken von Leben oder eigenem Willen finden konnte. Die Frage wurde rasch beantwortet, als Rajuru unerwartet rief.
    »Wach auf, Grimmgour und zeige dem Gast, was in dir ruht.«
    Sofort änderte sich der Ausdruck in den Augen des Rachuren. Die Leere wich binnen eines Wimpernschlages einem Blick, der selbst den Todsänger erschütterte. Blanker, abgrundtiefer Hass trat in die Augen Grimmgours und verzerrte seine Gesichtszüge zu einer Maske eines skrupellosen Rächers. Es war, als hätte Rajuru ihren Sohn soeben zu neuem Leben erweckt. Ein Leben, das auf nichts anderes als Zerstörung ausgerichtet war. Das Feuer loderte in den Augen des Kriegers. Plötzlich erkannte Grimmgour sein Gegenüber, und Nalkaar spürte, wie sich stählerne Hände schmerzhaft um seine Arme legten und ihn vom Boden hochhoben.
    »Wen haben wir denn da?«, grollte Grimmgours für den Todsänger nur allzu bekannte Stimme wie ein Donnerhall durch den Palast. »Eure hässliche Fratze hätte ich am allerwenigsten erwartet. Ich dachte, Mutter hätte Euch ein für alle Mal den Flammen der Pein überlassen, und war ihr dankbar dafür. Das habt Ihr verdient. Ihr riecht nach Tod. Ich sollte Euch stinkende Made gleich hier und jetzt zerquetschen.«
    »Ich habe Euch gerettet, Grimmgour«, keuchte der Todsänger. »Habt Ihr vergessen, dass ich Euch vom Schlachtfeld holte und den langen Weg nach Krawahta zurückbrachte. Ich habe Euch gefüttert und Eure Wunden versorgt. Ist das der Dank für die Treue und Fürsorge, die ich Euch entgegenbrachte?«
    »Du hättest mich töten sollen, als du Gelegenheit dazu hattest und ich dich darum anbettelte. Jetzt ist es zu spät«, flüsterte Grimmgour kaum hörbar.
    Grimmgours Griff wurde fester, bis die morschen Knochen Nalkaars unter dem Druck knirschten und der Todsänger vor Schmerz stöhnte. Ein Wiedersehen mit dem Rachurengeneral hatte er sich anders vorgestellt. Immerhin hatte er ihn durch Feindesland bis nach Hause begleitet. Neben mancherlei Unbequemlichkeit und dem Gezänk des Rachuren hatte er Opfer gebracht und Entbehrungen in Kauf genommen, die ihn selbst an

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