Kryson 06 - Tag und Nacht
die Kehle durch. Jetzt gleich!«
»Warum nur so ungeduldig?«
, lächelte Tomal. »
Spürst du nicht die Ruhe und Schönheit an diesem Ort. Ein Paradies! Kallya und Malidor schlafen. Sie sind erschöpft und werden bestimmt die ganze Nacht schlafen, bis die Sonnen wieder aufgehen. Genieße den Strand, das Meer und die untergehenden Sonnen.«
»Pah … romantischer Unsinn«
, beschwerte sich Blyss,
»die Schönheit eines solchen Ortes ist so trügerisch wie die Schönheit einer Frau. Sie vernebelt Euch nur die Sinne, lenkt Euch ab, versucht, Euch zu beeinflussen und am Ende zu beherrschen. Seht Euch die Moldawar an! Sie sind wild und frei. Sie zögern keinen Augenblick, Beute zu machen, sobald sie eine Gelegenheit wittern. Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr Euch von Euren Gefühlen überwältigen lasst. Weißer Sand, Rakoabäume, Sonne und blaues Wasser. Ihr seid doch kein Träumer, der sich blenden lässt, um glücklich zu sein. Was Ihr braucht, ist das Blut Eurer Opfer, die Welt zu verändern. Im Tod und Verderben liegt Euer wahres Glück. Die Dunkelheit ist es, nach der Ihr streben solltet.«
»Sei still!«
, brachte Tomal die Stimme zum Schweigen. »
Ich kann es nicht mehr hören.«
Tomal beobachtete einen Fischschwarm, der sich zu seinen Füßen tummelte. Der Schwarm drängte sich dicht zusammen, die letzten Sonnenstrahlen zu erhaschen. Einige der Fische knabberten frech an seinen Zehen. Blitzschnell griff Tomal zu, fing zwei Fische mit den Händen und steckte sie in einen Lederbeutel, den er am Bund trug. Er wartete, bis sich der Schwarm wieder gesammelt hatte, und wiederholte den Vorgang mehrmals, bis er sechs Fische zusammenhatte. Sie waren groß genug, eine sättigende Mahlzeit abzugeben. Der Lesvaraq wollte die Fische über dem Feuer braten und mit den Gefährten teilen.
»Ihr sorgt auch noch für ihr leibliches Wohl?«
, meldete sich Blyss erneut zu Wort.
»Ich sagte, du sollst still sein«
, antwortete der Lesvaraq barsch.
»Wie Ihr wollt«
, schlug Blyss einen beleidigten Tonfall an,
»aber beschwert Euch nachher nicht darüber, dass wir beide hungern müssen, wenn Kallya unsere Fische gegessen hat. Sie braucht sie doch überhaupt nicht mehr. Vergesst nicht, dass Ihr für zwei essen solltet.«
»Du bist nur ein dunkler Geist in meinem Kopf und brauchst keine feste Nahrung, Blyss«
, korrigierte der Lesvaraq das Gefäß,
»also hör endlich auf mit diesem Unsinn und lass mich in Ruhe. Ich hätte mich niemals darauf einlassen dürfen. Du gehst mir auf die Nerven.«
»Ich brachte Euch die Dunkelheit zurück«
, beschwerte sich das Gefäß.
»Nein! Nicht die Dunkelheit. Das Böse brachtest du mir. Das ist ein Unterschied.«
»Natürlich. Aber dafür entgehen wir beide dem Wahnsinn.«
»Vielleicht«
, räumte Tomal ein, »
das wird sich erst erweisen müssen.«
Tomal watete mit großen Schritten zurück zum Strand, näherte sich vorsichtig den Schlafenden und bereitete das Feuer und den Fisch vor. Als die Fische gebraten waren, weckte er seine Gefährten. Kallya öffnete die Augen und lächelte ihn dankbar und freundlich an. Der Lesvaraq lächelte zurück. Es war das Lächeln eines Raubfischs auf Beutezug.
»Der Fisch duftet herrlich«, sagte Kallya freudestrahlend, »ich habe einen Riesenhunger. Es ist wirklich lieb von dir, dass du dich um uns sorgst.«
Tomal starrte still lächelnd in Kallyas freundliches Gesicht und stellte sich dabei vor, wie er ihr den Fisch gewaltsam in den Rachen stopfte, bis sie daran erstickte.
»Ihr allerletztes Mahl!«
, hörte Tomal seinen ständigen Begleiter in Gedanken.
Nachdem sie die Fische gegessen hatten und gemeinsam über die Überfahrt nach Kartak gesprochen hatten, legten sie sich erneut schlafen. Sie fühlten sich am Strand sicher und verzichteten auf die Einteilung von Wachen. Das leise Plätschern der Wellen und das Rauschen des Meeres wirkten einschläfernd auf den Lesvaraq. Er schloss die Augen, schlief sofort ein und träumte von Saykara.
Es war stockdunkel, als Tomal wieder erwachte. Nur am Horizont in der Ferne, dort wo der Lesvaraq Kartak vermutete, konnte er ein Wetterleuchten erkennen. Blitze zuckten den Himmel entlang. Ein Gewitter musste sich gerade über der Insel entladen.
Das Feuer war längst erloschen, die Glut erkaltet und der Wind hatte deutlich aufgefrischt. Die Wellen hatten an Größe und Stärke zugelegt und kamen inzwischen bis dicht an das Lager der Gefährten heran. Malidor und Kallya schliefen ruhig.
»Es ist so weit«
,
Weitere Kostenlose Bücher