Kubu und der Tote in der Wueste
Milch oder, als besondere Leckerei, mit einem heißen Kakao an sein Bett gekommen war, als er noch ein kleiner Junge gewesen war. Dann hatte er ihm Geschichten von den Vögeln und anderen Tieren Botswanas erzählt. Wie Mokoe ein Freund der Menschen wird und sie vor Gefahren warnt. Wie Morokaapula die Nester anderer Vögel erobert und sie dazu bringt, seine Jungen großzuziehen. Dass Morubisi verhext ist und in der Nacht Unglück bringt.
»Vater, geht es dir gut? Es war eine lange Reise.« Der alte Mann nickte nur und sagte nichts. Er lächelte, holte ein kleines Päckchen aus der Tasche, wickelte es auf und gab etwas Weißes in ihre beiden Tassen. Noch mehr Zucker, dachte Bongani. Sie mochten es beide gerne süß. Sie tranken in kameradschaftlichem Schweigen. Als der Tee leer war, sprach der alte Mann zum ersten Mal.
»Mein Sohn, ich werde dir erzählen, was ich sehe. Möchtest du das?«
»Oh ja! Bitte, Vater!«, sagte Dr. Bongani Sibisi in Erwartung einer Geschichte.
»Versprichst du mir, gleich danach schlafen zu gehen?« Er wartete, bis Bongani brav genickt hatte.
»So geht sie«, begann er. »Kennst du den Vogel Serothe?«
Bongani sagte, er kenne ihn gut. »Das ist der ganz schwarze Vogel mit dem Gabelschwanz. Auf Englisch heißt er Drongo.« Er war stolz auf sein Wissen.
Der alte Mann nickte und sagte: »Stimmt. Hier ist eine Feder, um dich daran zu erinnern.« Er zog eine schwarze Schwanzfeder hervor. Bongani, der wieder zu einem achtjährigen Jungen geworden war, nahm sie und steckte sie vorsichtig in einen Spalt der Tischplatte.
»Nun ist dieser Vogel nicht nur hübsch, sondern auch klug. Weil er die anderen Vögel nachmachen kann. Er setzt sich in einen Baum und äfft ihre Schreie nach. Alle denken, da sitzt ein anderer Vogel, weil der Serothe so perfekt ist. Darin besteht sein Zauber. Manchmal sehen die Hütejungen, wie das Vieh ihm lauscht. Die meiste Zeit kann das Vieh gut auf sich selbst aufpassen . Die Jungen werden faul und langweilen sich. Dann hören sie einem Vogel zu und raten, welcher es ist. Sie werfen kleine Steine in den Baum, bis er hervorfliegt. Und meistens ist es tatsächlich der Serothe, der sie nur neckt. Faule Jungs! Manchmal also schlüpft der Serothe gerne in die Gestalt anderer Vögel und bringt die Menschen zum Lachen. Und so sollte es sein.« Rasch nickte Bongani, dem die Geschichte gefiel.
Der alte Mann schloss die Augen. Seine Stimme wurde tiefer, monotoner, fast eine Art Singsang. »Und das sehe ich«, sagte er. Er griff in seine Tasche und zog die geschlossene Faust hervor. »Das ist im Mittelpunkt, mein Sohn. Ich sehe einen Sero the-Vogel, der anders ist. Er glaubt, wenn er die anderen Vögel nachmachen kann, dann ist er tatsächlich einer der Vögel. Zum Beispiel glaubt er, Segodi sein zu können – der Falke. Er fliegt hoch und ahmt die Schreie des Falken nach. Die anderen Vögel fürchten sich. Tatsächlich wird ein kleines Stück von ihm zum Falken. Er glaubt, er könne Ntshu sein – der Adler. Also fliegt er hoch hinauf zur Sonne, stößt Adlerschreie aus, und vielleicht glauben die anderen, dass er tatsächlich ein Adler ist. So wird ein kleiner Teil von ihm zum Adler. Er ist nicht länger ein Serothe, aber auch kein Falke oder Adler. Er ist etwas ganz anderes. Etwas, das aus allen dreien besteht.« Der alte Mann holte tief Luft und fuhr fort:
»Er weiß nicht, was er ist und wo er hingehört. Er möchte bei den Adlern sein, aber eines Tages findet er sich unter den Ma nong wieder, den Geiern, und will etwas von ihrem Fleisch abhaben. Also fliegt er sehr hoch und folgt ihnen hinunter zu dem Aas, das sie fressen. Er setzt sich hin, schreit ihnen in ihrer Sprache zu und verlangt Fleisch. Einige lassen sich täuschen und denken, er sei ein Geier. Andere glauben, er sei ein Adler.
Aber es gibt einen sehr bösen Geier mit einem ganz roten Gesicht. Er ist Kgosi yamanong – der König der Geier. Totes Fleisch ist seine Beute. Er lässt sich von der Magie nicht narren. ›Was willst du, du bist doch nur ein Serothe!‹, sagt er. ›Wie kannst du es wagen?‹ Der Geier frisst und hat einen Knochen im Schnabel.« Der alte Mann öffnete die Faust, und ein kleiner Knochen lag darin. Er nahm ihn zwischen Daumen und Zeigefinger wie in einem Schnabel. Für Bongani wurde er in dem Moment zu Kgosi yamanong – dem größten der Aasgeier −, der einen Knochen in seinem gefährlichen Schnabel hielt. Die Federn in seinem Gesicht waren blutrot gefärbt.
»Er lässt ihn fallen.
Weitere Kostenlose Bücher