Kubu und der Tote in der Wueste
Heute
Bongani saß im Angestelltenbereich der Lodge und nippte an seinem Castle-Bier. Anfangs war das Bier kühl und erfrischend gewesen, aber schon bald saugte die Wüste seine Kühle auf und ließ es lauwarm und wenig schmackhaft werden. Bongani fragte sich zum zigsten Mal, warum er an diesem Abend an dem Treffen teilnahm. Andererseits amüsierte er sich durchaus.
Sie saßen im Halbkreis um ein Feuer, das ein wenig rustikalen Komfort bot. Zwischen den Männern und dem Feuer stand ein Campingtisch mit einer Reihe von geheimnisvollen Gegenständen darauf, darunter ein Rohlederbeutel, wahrscheinlich aus Löwenhaut. Die Männer saßen im Sand oder auf Hockern. Frauen waren nicht anwesend. Es gab ein wenig Gesang und traditionellen Tanz, an dem Bongani nur widerwillig teilnahm, weil er nicht an das Ritual gewöhnt war. Die meiste Zeit saßen sie jedoch nur beisammen, unterhielten sich und reichten eine Kalebasse mit Maisbier und anderen Ingredienzien herum, die nicht näher benannt wurden.
Das Ritual wurde von dem Alten Mann geleitet, einem Medizinmann, der einen monotonen Singsang anstimmte, nach einer Weile in Trance fiel und mit den Gegenständen auf dem Tisch herumfuhrwerkte. Der Medizinmann bekleidete in jeder traditionellen Gemeinschaft einen wichtigen Rang. Er kannte die Heilkraft einheimischer Pflanzen und bot Zauberformeln und Talismane an, mit denen sich die Leute ihre Wünsche erfüllen oder Unerwünschtes fernhalten konnten. Und er warf Knochen, um die Zukunft vorauszusagen. Er verkörperte eine wichtige Macht im Guten wie im Bösen. Meist eine Mischung von beidem, dachte Bongani. Medizinmann konnte jeder werden, der die Neigung dazu verspürte und genügend Willenskraft besaß. Um Häuptling zu werden, musste man in die richtige Familie hineingeboren sein, doch ein Medizinmann war seines eigenen Glückes Schmied. Die erfolgreichsten von ihnen waren vollendete Politiker, die ihre Gemeinschaft in ein Netz der Abhängigkeit einspannten. Kein Häuptling würde sich über einen Medizinmann hinwegsetzen, der eine solche Macht über die Stammesmitglieder hatte. Auf diese Weise wurde der Medizinmann zur grauen Eminenz hinter dem Thron.
Die Versammlung war eine Mischung aus Männerrunde und Séance. Bongani fand seinen Sitznachbarn gesellig und versuchte zuerklären, was er als Ökologe in der Lodge zu tun hatte. Schon bald kamen sie überein, dass das zu esoterisch war, um als richtige Arbeit zu gelten, wechselten das Thema und sprachen über Freunde und Verwandte. Wenig überraschend entdeckten sie, dass sie entfernt miteinander verwandt waren, wie die meisten Batswana, wenn man genauer hinsah. Der Mann zu Bonganis Linken trug ein traditionelles Gewand aus Häuten, während die meisten anderen in Alltagskleidung erschienen waren. Bongani rollte seine Hemdsärmel hoch und entspannte sich auf dem Plastikstuhl, den ihm die Gruppe als Ehrengast überlassen hatte.
Es war das erste Mal, dass sich Bongani in seiner Freizeit mit den Leuten traf. Er dachte bei sich, dass er das schon früher hätte tun sollen, allerdings nicht bei einer solchen Gelegenheit. Sein junges Gesicht verzog sich bereitwillig zu einem Grinsen, als sein Nachbar einen kleinen Witz riss. Einige Männer hatten Bier oder etwas Stärkeres mitgebracht, andere konzentrierten sich auf die Kalebasse und ihren Inhalt. Bongani hatte sich nie für den Geschmack dieses einheimischen Getränks erwärmen können und zog das Bier vor, das er zur Sicherheit mitgebracht und unter dem Stuhl verstaut hatte. Dennoch trank er jedes Mal kleine Schlucke aus der Kalebasse, wenn sie ihm gereicht wurde.
Er sah dem Alten Mann zu, der am Feuer saß und aufgeregt auf seine Freunde einredete. Bongani konnte nicht hören, was er sagte, und fand seinen Dialekt ohnehin schwer zu verstehen. Der Mann war alt und knorrig. Waren Medizinmänner immer alt und knorrig?, fragte sich Bongani. Wurden sie schon so geboren? Vielleicht fingen sie schon als Babys damit an, ernst die Stirn zu runzeln und sie in Falten zu werfen, die umso tiefer wurden, je mehr sie heranwuchsen. Vielleicht gab es auch eine Creme, die das Gesicht schneller altern ließ – eine Art Faltencreme, die die Runzeln mit unnatürlicher Geschwindigkeit hervorrief. Vielleicht konnte man sie im Internet bestellen. Er lächelte, wenn er an die Flut von Spam-Angeboten dachte, mit denen Medizinmänner heutzutage vermutlich zu kämpfen hatten.
Jemand sprach ihn an. Es war Peter Tshuduku, sein ungebetener Gast von
Weitere Kostenlose Bücher