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Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer

Titel: Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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Schichten übereinander legen. Fünfundzwanzig Minuten stehen lassen. Danach die Plätzchen mit geschlagenen Eiern bestreichen und bei 220 Grad zwanzig Minuten backen. Dann die erhitzte Margarine darüber gießen und noch einmal fünfzehn Minuten backen. Das fertige Baklava mit Honig beträufeln.

LETTLAND
    Lettland wird noch immer vom Westen unterschätzt und als kleines niedliches Land am baltischen Meer abgetan. In Wirklichkeit ist Lettland, das hunderteinundzwanzig-größte Land der Welt, ein mächtiger, von der ganzen Welt unabhängiger Staat mit Meerblick. Das Land hat eine natürliche Grenze zu Estland und Litauen sowie eine unnatürliche zu Russland. Die Urbevölkerung Lettlands gehört zum Stamm der Latgallen, einem alten, mutigen Piratenvolk. Sie waren ursprünglich Seenomaden, die sich irgendwann an der baltischen Küste ansiedelten.
    Viele ausländische Touristen neigen dazu, den Namen des Landes falsch auszusprechen oder das Land gar mit dem litauischen Nachbarn zu verwechseln. Die Deutschen nennen das Land »Lettland«, die Spanier »Letonia«, die Franzosen »Lettonie«. Auf Lettisch aber heißt Lettland »Latvijas Republika«, und die Bewohner legen großen Wert darauf, dass es richtig ausgesprochen wird. Sie mussten in der Vergangenheit viel Hohn und Erniedrigung ertragen und auf ihre Unabhängigkeit sehr lange warten.
    Im totalitären Sozialismus wurde Lettland zur größten Milchverarbeitungsanlage der Sowjetunion auserkoren. Das Land musste den großen russischen Bruder sowie alle anderen Sowjetrepubliken mit Schmand versorgen. Dafür nehmen die Letten heute reichlich Rache am russischen Bruder. Sauer auf die Russen zu sein ist zu einem Dauerzustand, zum Sinn und Zweck der lettischen Politik geworden. Seit dem Tag, als die Republik ihre Unabhängigkeit wiedererrang, fordern die Letten von ihren russischen Nachbarn eine Entschuldigung für die Okkupation sowie eine Unkostenpauschale. Die Höhe der geforderten Summe schwankt zwischen zwanzig Millionen und vierzig Milliarden, je nachdem, wie sauer sie gerade auf die Russen sind.
    Der russische Okkupant wurde zum alleinigen Sündenbock der lettischen Republik erklärt. Alle Probleme, die Lettland jemals hatte beziehungsweise heute hat, sind durch die Russen und ihren Sozialismus zustande gekommen, so die offizielle Meinung der lettischen Regierung. Ohne die sowjetische Okkupation wäre Lettland längst ein Kurort de Luxe.
    Die Russen denken allerdings nicht daran, Lettland für die Kosten des Sozialismus zu entschädigen. Die offizielle russische Version des Geschehens lautet nach wie vor, die baltischen Länder hätten sich 1940 freiwillig für den Sozialismus entschieden und wären der Sowjetunion aus eigenem Antrieb beigetreten in einer Art Kollektivwahn oder aus dem Wunsch nach Veränderung heraus. Fast wie im Schlaf ließen sich die Letten vom Sozialismus verführen und staunten dann nicht schlecht, als sie aufwachten. Doch für einen Rückzieher war es da schon zu spät. Unter den Kommunisten ging natürlich alles den Bach herunter. Die Landschaften Lettlands, seine Seen und Flüsse wären ein ökologischer Blockbuster, wenn die Russen sie nicht alle versaut hätten. Die Wälder wären dichter und der Himmel blauer. Der höchste Berg des Landes ist heute nur noch dreihundertzwölf Meter hoch, wahrscheinlich weil ihn die Kommunisten niedergetrampelt haben. Nur das Wetter hat die fünfzig Jahre sowjetischer Okkupation gut überstanden. Es ist stabil geblieben: im Sommer warm, im Winter kalt, daran konnte auch der Sozialismus nichts ändern. Das größte Problem des heutigen Lettlands ist die Bevölkerung – auch sie ein Erbe der sowjetischen Vergangenheit. Die Bevölkerung Lettlands besteht nur zu einundfünfzig Prozent aus Letten, die restlichen neunundvierzig Prozent Letten sind nicht vorhanden. Sie wurden von den Kommunisten durch andere ethnische Gruppen ersetzt, vor allem durch Russen, Weißrussen und Ukrainer, die nach wie vor dableiben wollen. Deshalb bleibt es die größte Aufgabe jeder lettischen Regierung, die »Naturalisierung« der nicht-lettischen Bevölkerungsanteile zu bewerkstelligen: Sie müssen zu echten Letten gemacht werden. Der russischsprachige Teil lernt seit fünfzehn Jahren Lettisch, kommt dabei aber nicht wirklich voran. Viele laufen mit Wörterbüchern durch die Gegend und terrorisieren ihre lettischen Nachbarn mit ihrem gebrochenen Lettisch.
»Sag es schon auf Russisch, wir verstehen dich«, seufzen die Letten, wenn

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