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Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer

Titel: Kuche Totalitar - Wladimir Kaminer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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abgesichert, deswegen mussten sie oft aus politischem Interesse ihnen völlig unbekannte Leute heiraten oder umbringen, nicht aus Spaß, sondern zum Wohl ihres Landes.
    »Du willst mich also heiraten?«, sagte die Prinzessin zu Iwan dem Schrecklichen. »Dann überzeuge mich von deiner Macht! Wenn du mir in sieben Tagen einen sieben Stockwerke hohen Turm baust, werde ich deinem Willen folgen.«
    Iwan der Schreckliche war nicht nur ein gefürchteter Krieger, er war auch ein leidenschaftlicher Turmbauer. Nichts liebte er mehr, als irgendwelche Türme in der Steppe zu bauen. Damals war die Bauarbeitermoral noch nicht so verdorben und lasch wie heute, und als Iwan der Schreckliche seine Leute zusammenpfiff und in die Hände spuckte, kochte die Arbeitsstimmung hoch. In sieben Tagen stand der Turm mitten in Kasan, der Hauptstadt der Prinzessin, und wie versprochen war er sieben Stockwerke hoch. Iwan der Schreckliche strahlte vor Stolz.
    »Gut, na dann.« Die Prinzessin zeigte sich unbeeindruckt. »Dann muss ich dich wohl heiraten und nach Moskau ziehen«, seufzte sie. »Aber zuerst möchte ich einmal hochklettern, um Abschied von meinem Land zu nehmen.«
    Die Prinzessin Suumbike stieg in den siebten Stock, winkte ihrem Volk und stürzte sich herunter. Iwan der Schreckliche war von dieser Opfergeste sehr angetan, eroberte Kasan aber trotzdem.
    Im zwanzigsten Jahrhundert wurde diese Stadt zur Wiege der russischen Revolution. Lenin studierte an der dortigen Universität, und die Sozialrevolutionäre und Menschewiken wollten sich nach 1917 mit Baschkirtostan, dem Land der Baschkiren, zusammentun und eine große sowjetische »Idel-Ural Republik« gründen. Die Bolschewiken trauten aber den Tataren nicht zu viel Unabhängigkeit zu und separierten die beiden Länder. Es wurden also eine autonome Republik Baschkirien und eine Republik Tatarstan mit der Hauptstadt Kasan gegründet. In der Sowjetunion war Tatarstan hauptsächlich für die Produktion von LKWs und Hubschraubern zuständig, außerdem für viele Straf- und Besserungsanstalten. Gleichzeitig galt die tatarische Republik als arme Gegend. Die Bewohner fuhren oft nach Moskau zum Einkaufen. Ein populärer Witz aus Sowjetzeiten lautete: Was ist grün, lang und riecht nach Wurst? Der Zug Moskau – Kasan. Das hat nicht zuletzt dazu geführt, dass von acht Millionen Tataren heute nur noch zwei Millionen in Tatarstan leben.
    Die russische und die tatarische Kultur sind eng miteinander verbunden. Viele Russen saßen in Tatarstan im Gefängnis, und der berühmteste Maler der russischen Natur, Schischkin, malte sein Leben lang die Natur von Tatarstan. Seine berühmtesten Bilder »Die Bärchen auf dem Baum« und »Der Birkenhain im Morgenrot« entstanden dort.
    Heute ist Kasan nicht mehr so arm wie früher und an manchen Stellen sogar richtig schick geworden. Die Restaurants haben alle romantische Namen, sie heißen »Akcharlak« – die Möwe, »Leisen«
– der weiche Frühlingsregen, oder »Tschulpan« – der Morgenstern. Dort werden kleine Süppchen, Teigwaren und Kartoffelgerichte serviert. Vor dem Hintereingang warten aber, glaube ich, immer noch Pferde mit einem saftigen Steak unter dem Sattel auf Gourmets.

Der kahle Dichter
    Ich habe in Moskau wenig Erfahrungen mit der tatarischen Küche gemacht, sie war in unserer Stadt nicht sonderlich präsent. In der Nähe vom Roten Platz, gegenüber dem Filmtheater »Stoßarbeiter« befand sich allerdings ein tatarischer Imbiss. Dort gingen wir gerne mit Freunden hin und aßen saftigen Etschpotschmack, fleischigen Beschbarmak und in Honig gekochten Tschak-Tschak. DieserImbiss war die einzige mir bekannte tatarische Küche. Auch mit Pferden hatte ich in Moskau nichts zu tun, bis 1989, als ich zusammen mit meinem Freund Katzman am ersten Mai auf offener Straße von einem Polizeipferd bespuckt wurde. Unsere Stadt bereitete sich gerade auf die Feierlichkeiten anlässlich des Tages der Internationalen Solidarität der Arbeiterklasse vor. Auf dem Roten Platz sollte eine große Kundgebung stattfinden. Weder Katzman noch ich gehörten damals zur Arbeiterklasse, wir waren eher der Klasse der faulen Säcke zuzurechnen. Ich hatte auch nicht im Traum daran gedacht, zu dieser Demonstration zu gehen. Mein Freund Katzman dagegen nutzte damals als aktiver Dissident und moralischer Terrorist jede Möglichkeit, seine unausgegorenen politischen Ansichten einer breiten Öffentlichkeit mitzuteilen. Beim letzten ersten Mai war er mit einer israelischen

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