Kuckucksmädchen
gleichen Sachen wie wir.
Ich stand im Türrahmen und beobachtete die Frauen. Ich sah, wie sie in Gedanken Abstände einschätzten, ihre Möbel in den Räumen verteilten. Zwischendurch lachten sie ein bisschen zu laut über schlechte Maklerwitze. Mir wurde übel, und um mich abzulenken, drehte ich mich ebenfalls in den Raum hinein und schob imaginäre Möbel übers Parkett. Wahrscheinlich war das der Anfang vom Ende. Der Makler bestimmte, dass wir die Glücklichen sein sollten, die die Wohnung bekamen. Vielleicht, weil wir das einzige Paar waren, dessen weiblicher Teil nicht sofort für ein paar Quadratmeter Altbau mit ihm geschlafen hätte. Auch Makler haben ihren Stolz. Ein paar Tage später zerplatzten die Träume der anderen Pärchen wie Seifenblasen auf unseren sorgfältig geschliffenen Holzdielen. Phillip und ich zogen ein.
Wir machten alles so, wie wir es von unseren Freunden abgeguckt hatten. Wir zogen die Raufasertapeten ab und strichen die nackten Wände mit Papierhüten auf unseren Köpfen. Wir bummelten über Flohmärkte, und ich achtete peinlich genau darauf, die richtige Mischung aus neuen und alten Möbeln zusammenzustellen. Das komische Gefühl, das sich am Tag der ersten Besichtigung eingestellt hatte, ging leider nicht weg. Also kaufte ich teure Designertapeten und flauschige Handtücher und alte Emailledosen für unser Müsli. Aber je perfekter unsere Wohnung wurde, desto stärker wurde das falsche Gefühl. Und als wir nach drei Monaten fertig waren, wusste ich, dass ich nicht bleiben konnte. Kurz nachdem der letzte Dübel angebracht war, zog ich aus.
Phillip schaute sich verwirrt um, zuckte mit den Schultern und besorgte sich das fehlende Versatzstück »Frau« an anderer Stelle neu. Ich denke, diesmal achtete er allerdings darauf, in etwas Langlebigeres zu investieren, und machte dafür lieber Abstriche in anderen Bereichen â zum Beispiel bei der Kreativität.
Alles hier ist von mir ausgesucht. Eine komplette Ausstattung für ein vorzeigbares Pärchenleben in der GroÃstadt, zusammengetragen von der Ex. Bis auf die orange Küche hat Larissa fast nichts verändert. Mit Genugtuung bemerke ich, dass unser alter Küchentisch nun überhaupt nicht mehr ins Farbkonzept passt. Eigentlich ist er nicht alt. Wir haben ihn neu gekauft und mit schweineteuren Lasuren auf alt getrimmt. Die Kosten waren uns damals egal. Wir hatten den massiven Holztisch unter ganz anderen Kriterien ausgesucht. Kriterien, die schon zwei Wochen später keine Rolle mehr spielten. Wir haben kein einziges Mal darauf gevögelt.
Vielleicht ist Larissa an meiner Stelle in den Genuss gekommen. Vielleicht wurde das Kind in ihrem Bauch auf diesem Holztisch gezeugt, auf den sie jetzt drei Teller mit Spaghetti stellt. Ihr Bauch, mein Tisch, Phillips Sperma. Hätte irgendjemand nur ein kleines Stück am Schicksalsrädchen gedreht, könnte heute alles anders aussehen.
»Und, freut ihr euch auf das Baby?«, frage ich, während Phillip uns beiden Wein einschenkt.
»Was ist denn das für eine Frage«, antwortet er mit einer Mischung aus gespielter und ernster Empörung. »Klar. Warum sollten wir uns denn nicht freuen?«
»Na ja, der ganze Stress, der wenige Schlaf â¦Â«, ich wickle die Spaghetti um meine Gabel, spieÃe einen Scampi auf und versuche zu übersehen, dass das übertrieben rosafarbene Tier vor dem Kochen nicht entdarmt wurde, »â¦und die Verantwortung.« Als ich mir den ersten Bissen in den Mund schiebe, erstarre ich. Es ist, als hätte jemand einen Salzstreuer in meinen Mund geleert.
Larissa nickt mit dem Mund voller Nudeln. Sie scheint nichts zu bemerken. »Also ich freu mich drauf.«
»Und das Tolle ist, dass du nie wieder alleine bist, wenn du Kinder hast«, ergänzt Phillip strahlend.
Ich bezweifle, dass das wirklich ein positives Argument fürs Kinderkriegen ist; mich überzeugt es jedenfalls nicht. Ich exe den Rotwein und versuche zu lächeln. Die süÃe Larissa serviert mir versalzene Fischkacke, und ich bin mir nicht sicher, ob das ihre unterschwellige Art ist, mir zu zeigen, dass ich mich verpissen soll.
»Ganz schön kräftig gewürzt«, bemerkt jetzt auch Phillip.
Larissa schaut ihn überrascht an, dann zuckt sie resigniert mit den Schultern: »Tut mir leid. Seit ich schwanger bin, lassen mich meine Geschmacksnerven irgendwie im
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