Kuckucksmädchen
Stich â¦Â«
Ich frage mich, ob ihr deswegen auch die Sache mit der Wandfarbe passiert ist. Aber weil sie doch eigentlich ganz nett ist und ich mich selbst nicht mehr ausstehen kann in der Rolle der ewig Zweifelnden, versuche ich ebenfalls, nett zu sein, und sage tatsächlich den Satz von der Liebe und dem Salz im Essen. Der Satz gefällt den beiden. Phillip nimmt Larissas Hand, sie lächelt ihn an, und ⦠in dem Moment meldet sich mein Herz:
âAhhh. Romantisch.
âBist du bescheuert?
âWieso, was hast du denn?
âDas sind SpieÃer. So will ich niemals enden.
âWirst du auch nicht, wenn du so weitermachst, Spielverderberin.
âNa, dann ist ja gut.
âWie gut das ist, wird sich noch rausstellen â¦
Ohne es zu wissen, fällt Larissa dem Herz ins Wort: »Phillip hat erzählt, dass du Innenarchitektur studiert hast?«
Ich nicke mit vollem Mund und kenne die nächste Frage schon.
»Und was machst du jetzt?«
»Ich arbeite in einer Firma für Haushaltsauflösungen.« Die Reaktion auf diesen Satz kenne ich ebenfalls schon.
»Ach«, sagt Larissa und variiert diese Standardantwort mit einer hochgezogenen Augenbraue. »Das ist jetzt aber doch nicht der typische Arbeitsplatz nach so einem Studium, oder?«
»Nein, eher nicht. Eigentlich hatte es auch nur ein Nebenjob sein sollen. Bin nur irgendwie ⦠hängen geblieben.«
Phillip starrt mich an. »Immer noch?«
Ich lasse die Gabel geräuschvoll auf den Teller fallen; Larissa zuckt zusammen. Soll sie doch, die Teller habe ich gekauft, massives Steingut, das Geschirr in dieser Wohnung hält einiges aus.
»Nein, in Wirklichkeit arbeite ich seit ein paar Monaten in einer internationalen Interiordesignfirma und verdiene unverschämt viel Geld, aber das traue ich mich nicht zuzugeben.«
Larissa schaut verunsichert zwischen mir und ihrem Freund hin und her. Plötzlich ist sie die Fremde am Tisch, Phillip und ich sind von hier auf jetzt in unseren alten Beziehungsmodus gerutscht.
»Na dann: Herzlichen Glückwunsch. Wäre ja auch zu schade gewesen, wenn dein langes, teures Studium ganz umsonst gewesen wäre.«
Ich schiebe den Teller von mir weg und antworte so trocken wie möglich: »Nun, ganz umsonst wäre in jedem Fall übertrieben. Um eure Wohnung einzurichten, hat es immerhin noch gereicht.«
Larissa dreht nervös an ihrem Perlenohrring. »Das meint ihr jetzt ironisch, oder?« Sie lächelt Phillip hilfesuchend an.
Nett und ängstlich, wie er ist, lächelt er zurück und rutscht zurück in seine aktuelle Beziehung. »Schon gut. Wir machen nur SpaÃ.«
Ach.
Mir kommt das hier eher alles vor wie ein Déjà -vu in Endlosschleife. Die Wohnung, der Mann, die Unterhaltung. Nur die Frau ist neu im alten Nest. Aber da ich das Nest nicht mehr wollte und Phillip alleine offensichtlich nicht leben kann, ist sie eigentlich das Beste, was uns passieren konnte. Für Phillip ist Larissa auf jeden Fall die bessere Wanda, wie sie jetzt aufsteht, ihm durch die schwarzen Locken wuschelt und versöhnlich sagt: »Haushaltsauflösungen zu machen ist doch auch ein wichtiger Job.«
Ich nicke pflichtbewusst und erzähle nichts von den Splittern, die zertrümmerte Schrankwände in meine Seele bohren.
»Und jetzt entschuldige mich, Wanda, ich muss wieder zurück aufs Sofa.« Sie nimmt den halb vollen Teller und stützt ihn auf ihrer riesigen Kugel ab. Ich frage mich kurz und unwillkürlich, ob das Sofamuster Olivenölflecken vertragen kann.
»Bist du fertig?«
Ich nicke und beobachte, wie Phillip über den Tisch greift und Gabel und Löffel ordentlich nebeneinander auf meinen Teller legt. Eine längst vergessene Geste. Das hat er schon früher gerne gemacht, mir Benimmregeln beibringen. Und genau wie früher schaue ich auch jetzt, nach all den Jahren, demonstrativ über meine Schulter, um zu signalisieren, dass kein Kellner im Raum ist, der diese Geste erkennen könnte.
Im Wohnzimmer schaltet Larissa den Fernseher ein, stellt das Volumen auf halblaut und wählt sich durch die Programme. Die Fernbedienung hat an der linken oberen Ecke eine Delle, das Material hat sich an dieser Stelle leicht verformt, als ich das Gerät eines Abends versehentlich in ein brennendes Teelicht auf dem Wohnzimmertisch gelegt habe. Wenn man es nicht weiÃ, sieht man es fast gar nicht.
»Einfacher
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