Küchenfee
Händen ihre Tasse. Genau so hatte sie sich bei ihrer Gesellenprüfung gefühlt.
Nachdem sie sich nach der Absage von Gruber und dem Gespräch mit dem Geschäftsführer des La Traviata schon fast damit abgefunden hatte, in Zukunft als Köchin in irgendeiner Kantine zu stehen, hatte der Auftrag, die Hochzeit von Jim und Babsi auszurichten, alles wieder verändert. Sie hatte Blut geleckt. Jetzt wollte sie es unbedingt. Es machte so viel mehr Spaß, kreativ zu arbeiten, als Abend für Abend die Keniaböhnchen zu den Lammkoteletts an exakt die gleiche Stelle auf den Teller zu legen.
Käthes Stimme drang an ihr Ohr.
»Das sieht alles sehr gut aus, Elisabeth.« Käthe griff nach ihrer Tasse mit Fencheltee, trank einen Schluck und stellte sie dann wieder ab. Sie lehnte sich im Sessel zurück und nickte ernst. Konzentriert hatte sie sich die Bilder angesehen, die Kati ausgedruckt, mit Kommentaren und Erklärungen versehen und zu einer Mappe zusammengefasst hatte. Die Präsentation umfasste Motive von Renates Silberhochzeit, dem Essen in der Kanzlei und der Hochzeit.
Lilli war aufgeregt. Es hing jetzt von Käthe ab, ob ihr Traum von Lillis Schlemmerei sich erfüllen würde.
Diese nahm die Mappe noch einmal zur Hand und blätterte erneut durch die Seiten, dann sagte sie: »Ich habe mich entschieden, dir das Geld zu geben, Elisabeth. Aber ich leihe es dir persönlich, und nicht deinem und Frau Wilhelmis Unternehmen. Wie ihr das untereinander regelt, ist mir egal. Renate hat einen Vertrag aufgesetzt, der nur zwischen dir und mir besteht. Ich hoffe, du bist einverstanden.«
Lilli erstarrte. Das war der Moment, in dem sie sich verbindlich entscheiden musste. Wenn sie jetzt zustimmte, hatte sie von einer Minute zur anderen fünfzehntausend Euro Schulden. Wenn es schiefginge, würde sie die Summe mühsam über Jahre abzahlen müssen. Auf dem Rücken ihrer Töchter. Und was, wenn ihr starker Drang nach Freiberuflichkeit nichts anderes war als der verzweifelte Versuch, sich wenigstens auf beruflicher Ebene einige Erfolgserlebnisse zu holen, nachdem ihr Privatleben in Trümmern lag?
»Elisabeth?«
»Natürlich bin ich einverstanden, Käthe. Ich freue mich sehr«, sagte Lilli lahm. Als sie Käthes enttäuschtes Gesicht sah, zwang sie sich zu mehr Enthusiasmus. »Wirklich, Käthe, du machst mich sehr glücklich. Aber, verstehst du, ich bin einfach sprachlos. Wenn man sich etwas so sehr wünscht, und dann passiert ein Rückschlag wie die Absage von Gruber, und alles scheint verloren …«
Käthe erhob sich aus dem Sessel. »Ich werde jetzt nach Hause fahren, Elisabeth. Ruh dich aus, du wirkst erschöpft. Du kannst ab sofort über das Geld verfügen. Renate wird euch gerne unterstützen, wenn ihr untereinander eine Vereinbarung treffen wollt. Was ich euch übrigens empfehlen würde. Freundschaft hin, Freundschaft her, ein gemeinsames Geschäft muss auf soliden Beinen stehen und klar zwischen allen Beteiligten geregelt sein.«
»Käthe, bleib doch noch.« Lilli war ebenfalls aufgestanden.
Aber ihre Schwiegermutter schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, wirklich, Elisabeth, ich verstehe dich sehr gut. Du hast in der nächsten Zeit viel zu tun. Wenn ihr einen Steuerberater braucht, gebe ich dir gern die Nummer von meinem.«
Lilli ging die paar Schritte um den Tisch herum zu Käthe und umarmte sie herzlich. »Das ist sehr, sehr nett von dir, mich zu unterstützen, das rechne ich dir hoch an.«
Käthe ließ die Umarmung zu, aber nach ein paar Sekunden merkte Lilli, wie ihre Schwiegermutter sich versteifte. Sie trat einen Schritt zurück und Käthe richtete ihr Seidentuch, das bei der Umarmung verrutscht war. »Das mache ich gern, Elisabeth. Ich wünsche dir und Frau Wilhelmi einen guten Start und viel Erfolg. Und wenn du meine Hilfe oder meinen Rat benötigst, dann melde dich bitte.«
Als sich die Haustür hinter Käthe geschlossen hatte, stellte Lilli sich vor den großen Garderobenspiegel im Hausflur.
Da stand sie nun – Lilli Berger, seit zehn Minuten frischgebackene Geschäftsfrau. Ein Neubeginn in ihrem Alter, war das klug? In ein paar Tagen wurde sie dreiundvierzig Jahre alt. Hätte sie auf den jungen Schnösel in der Bank hören sollen? Lilli schüttelte den Kopf. Nein! Sie hatte mit Gina die perfekte Partnerin gefunden, und sie würden Erfolg haben.
Das Telefon klingelte.
»Lilli Berger, hallo?«
»Ist Käthe noch da?«, fragte Gina atemlos.
Lilli lachte. »Du kannst Gedanken lesen, oder?« Sie machte eine
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