Kühle Rache - heißes Herz
Und ich? Nervös fuhr sie mit einem Daumennagel über das Fliegengitter. “Wenn du nichts unternehmen willst, wieso bist du dann hier?”
Sein Blick wanderte zu ihrem Kleid, und er kämpfte gegen den heiseren Klang seiner Stimme an. Die Worte waren kaum zu verstehen, doch es war klar, was er damit meinte. “Möchtest du denn, dass ich etwas unternehme, Hester?”
Sofort wusste sie, worauf er anspielte. “Auf keinen Fall!”
Er blickte zu ihrem Ausschnitt und wirkte wenig überzeugt. Erst als er die Hand an das Fliegengitter legte, bemerkte Hester, dass sie immer noch mit dem Daumennagel darüber strich. Durch das Metallgitter hindurch berührte seine Fingerspitze ihren Daumen, und sie konnte nicht leugnen, dass es immer noch zwischen ihnen knisterte. “Bitte”, sagte er leise, “kannst du damit nicht aufhören? Das macht mich noch verrückt.”
“Vielleicht macht es mir Spaß, dich verrückt zu machen?” Diese Bemerkung konnte sie sich einfach nicht verkneifen.
Bei ihren Worten erstarrte er und runzelte dann die Stirn. “Ich kam zu dir, weil das, was du gemacht hast, ungesetzlich ist. Das weißt du auch.”
Ja, und genauso weiß ich, dass ich jegliche Kontrolle verliere, wenn du weiterhin meinen Dekolleté anstarrst, dachte sie. “Das Gesetz sollte so etwas wie dich verbieten.”
“Das nehme ich mal als Kompliment.”
Schweigend sah sie ihn an und unterdrückte einen Fluch, als seine Lippen sich zu einem Lächeln verzogen. Sie wusste, wie diese Lippen küssen konnten, und zitterte am ganzen Leib. Mühsam zwang sie sich zur Selbstbeherrschung und hob das Kinn. “Es war aber nicht als Kompliment gemeint.”
“Nein? Wie denn sonst?”
Ihr fiel keine Antwort ein, und entsetzt beobachtete sie, wie Macon die Hand nach dem Türknauf ausstreckte. Seine Hände hatte sie immer gemocht. Es waren große Hände mit schlanken Fingern und tief gebräunt von der ständigen Arbeit im Freien.
“Macon”, brachte sie nur heraus, als er in den schwach beleuchteten Flur kam, und trat unwillkürlich ein wenig beiseite, um ihn ins Haus zu lassen. “Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich dich nicht hereingebeten habe.”
“Das Gedächtnis war schon immer deine Schwäche.” Nachsichtig schüttelte er den Kopf.
Jetzt reichte es aber! Hatte er schon vergessen, dass er an jenem Abend mit Lois Potts zusammen gewesen war, als er eigentlich mit ihr, Hester, weglaufen wollte?
“Draußen ist es mir zu heiß, Hester”, verkündete er.
“So ist nun mal Texas.” Ihre Stimme klang gelassen, während er das Haus betrat. “Hier ist es überall heiß.”
Natürlich war es im Haus kühler und schattiger, doch sobald Macon hereinkam, fand Hester, dass die Temperatur sich deutlich erhöht hatte. Gestern Nacht hatte sie alle Fenster geöffnet, und tagsüber hatte sie die Jalousien heruntergelassen. Bruce hatte zwar eine Klimaanlage eingebaut, aber es war so kühl, dass Hester sie nicht benutzen musste. Trotzdem fühlte sie sich unwohl. In Macons Gegenwart war sie so verkrampft, als müsse sie mit einem Serienkiller Fahrstuhl fahren.
Doch ihre Nervosität schien Macon nicht im geringsten zu stören. Er hängte seinen Hut auf den Garderobenständer und ging dann den Flur entlang zur Küche. Dann blickte er die Treppe hinauf. Als er durch den Türbogen einen Blick ins Wohnzimmer warf, wurde Hester klar, dass er nach Erinnerungsstücken an Bruce Ausschau hielt. Dicke, in Leder eingebundene Geschichtsbände standen in Glasvitrinen. Bruce war zwar Apotheker gewesen, aber Geschichte sein Hobby. Er hatte auch alte Brillengestelle gesammelt, die alle auf dem Kaminsims lagen. Es war eine etwas seltsame Sammlung, aber sie passte zu Bruce, der den Dingen, für die er sich interessierte, immer auf den Grund gegangen war. Manchmal hatte er bemerkt, dass sie mitten in der Nacht wach lag. Vermutlich hatte er geahnt, dass sie nie ganz über Macon hinweggekommen war.
“Es tut mir leid.” Sie wollte das Thema lieber gleich anschneiden, damit sie Macon besänftigen konnte, sodass er wieder ging. “Ich weiß, dass du heute diese Briefe gefunden hast, weil ich dich beim Verlassen der Poststelle gesehen habe. Ich weiß wirklich nicht, wie ich auf den Gedanken gekommen bin, sie zu schreiben, Macon.”
Anstatt über ihr Geständnis erleichtert zu sein, blickte er sie eindringlich an. “Hester, ich kenne dich seit Jahren. Du weißt immer genau, weswegen du etwas tust.”
Nein, nicht immer. Sie wollte auch gar nicht genauer darüber
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