Kühle Rache - heißes Herz
ihr Name seltsam weich.
“Macon”, erwiderte sie leise. Es war das erste Mal, dass sie seit seiner Rückkehr in die Stadt seinen Namen aussprach, und augenblicklich fing ihr Herz an schneller zu schlagen. Unwillkürlich blickte sie sich um, als würde Bruce noch leben und könnte sie hier in Gesellschaft eines anderen Mannes ertappen. Es reichte schon, dass sie Macon ansah, um ein schlechtes Gewissen zu bekommen.
“Wir müssen miteinander reden, Hester.”
Ein Glück, dass diese Tür zwischen ihr und Macon war. Alles in Hester verspannte sich, wie immer in seiner Nähe. Ihr wurde heiß, doch sie versuchte, sich einzureden, dass das nur an der entsetzlichen Hitze liegen konnte. “Reden? Worüber?”
“Du weißt sehr genau, weswegen ich hier bin.” Er zog einen zerknitterten pinkfarbenen Briefbogen aus der Gesäßtasche seiner Jeans und hielt ihn ihr hin, bevor er ihn wieder einsteckte. “Hast du etwas dagegen, wenn ich reinkomme?”
Während sie nachdachte, strich sie sich nervös übers Haar. Sein durchdringender Blick machte sie verlegen, und sie musste sich eingestehen, dass sie sich das Haar zu hoch gesteckt hatte, mit herausgezupften Strähnen im Nacken, genau wie er es mochte. Sie trug ein weißes Sommerkleid mit Spaghettiträgern, das viel Dekolleté zeigte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und rief sich in Erinnerung, dass sie nur wegen des sommerlichen Wetters so leicht bekleidet war. Seufzend stieß sie die Luft aus. “Nein, du solltest lieber nicht reinkommen.”
Macon fragte erst gar nicht nach dem Grund. Er kannte ihn ohnehin. “In Ordnung. Wahrscheinlich hast du recht. Das sollte ich lieber nicht tun.” Einen Moment später blickte er ihr so durchdringend in die Augen, dass sie erbebte. “Kommst du denn nicht raus?”
Ihr kam es vor, als würde er ihr mit diesem Blick jegliche Kraft rauben. Hester war sich nicht sicher, ob sie überhaupt über die Türschwelle treten konnte, selbst wenn sie es gewollt hätte. “Ich glaube, ich sollte besser auch nicht rauskommen.”
Allmählich verlor er die Geduld und hob fragend die Augenbrauen. “Dann willst du also drinnen bleiben und die Tür verbarrikadieren?”
“Das tue ich doch gar nicht”, widersprach Hester gekränkt. “Sollte ich mich denn verbarrikadieren? Besteht für mich Anlass zur Sorge?”
Sie standen so dicht voreinander, dass ihre Nasen sich fast berührten. Nur das Fliegengitter trennte sie. “Ich bin nicht hier, um mich auf ein geistreiches Wortgefecht einzulassen, Hester.”
Sie musste lächeln, obwohl sie ein flaues Gefühl im Magen hatte. Das musste an dem vielen Kaffee liegen, den sie heute getrunken hatte. “Zu so einem Gefecht gehören doch wohl mindestens zwei geistreiche Menschen, oder nicht, Macon?”
“Typisch.” Er schüttelte den Kopf. “Schlagfertig und geistreich sind zwei Paar Schuhe, Hester.”
Sie konnte nicht glauben, wie schnell sie die Kontrolle über die Richtung, in die das Gespräch steuerte, verloren hatte. Doch beim Gedanken an die Briefe der verzweifelten Frauen, die sie heute früh gelesen hatte, wurde sie wieder ärgerlich. “Heutzutage ist es für eine Frau ziemlich wichtig, nur dem Verstand zu folgen”, entgegnete sie kühl.
“Den braucht sie zumindest dann, wenn sie das Postgeheimnis verletzt hat.”
“Wieso bist du überhaupt hier, Macon? Geh doch gleich zum Sheriff.”
“Damit er dich festnimmt? Daran habe ich gedacht, und die Versuchung ist wirklich groß, aber hier geht es schließlich nicht nur um dich. Hast du darüber gut nachgedacht, Hester?”
Sobald er ihren Namen aussprach, setzte ihr Herz einen Schlag lang aus. “Worüber soll ich nachgedacht haben?”
“Über Cordy. Er ist ein guter Junge, und ich sähe ihn nur ungern ohne Mutter. Aber dazu würde es kommen, wenn ich zum Sheriff gehe.”
Ein paar Sekunden lang hielt sie die Luft an. Sie wusste, dass Cordy und Macon sich kannten. Schließlich war sie schon in Cordys Begleitung Macon begegnet. Doch Macon hatte den Namen ihres Sohnes so vertraulich ausgesprochen, als gebe es eine persönliche Beziehung zwischen ihnen beiden. Gleichzeitig war sie erleichtert, weil Macon anscheinend auf rechtliche Schritte gegen sie verzichtete. “Dann lässt du mich laufen? Sag bloß nicht, du hast in Houston entdeckt, dass du ein weiches Herz hast.”
Teils belustigt, teils anklagend sah er sie an, als sei sie es, die ihm ein Unrecht angetan hatte. “Ein weiches Herz hatte ich immer, Hester.”
Ach ja?
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