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Kühlfach betreten verboten

Kühlfach betreten verboten

Titel: Kühlfach betreten verboten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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auf ihrem Notizblock. Da Tristan nichts gesagt hatte, düste ich rüber, um zu lesen. Mist, wieder diese psychedelischen Kringel. Aber vielleicht notierte sie ja die Frage, die mir auch gerade eingefallen war: Hatte Tristan ein Auto? War es groß und dunkel? Konnten die Spuren an Yasemins Kleidung und ihrer Leiche mit dem Teppich in Tristans Kofferraum in Verbindung gebracht werden? Warum, zum Teufel, war das alles noch nicht geklärt?
    Tristan saß in seinem Krankenbett mit dem lächerlichen Turban auf dem Kopf, der riesigen Zahnlücke, den Veilchen um beide Augen und schmollte.
    »Herr Seiler   …«, begann Gregor.
    »Doktor Seiler«, korrigierte Tristan mit eisiger, leicht zittriger Stimme. »Und ich verwahre mich gegen jede Anschuldigung dieser Art. Wenn Sie keine bessere Idee haben, als den nächstbesten Lehrer zu verdächtigen, dann ist es kein Wunder, dass die Verbrechen in diesem Land nicht mehr aufgeklärt werden.«
    Hier irrte der Pädagoge, denn über fünfundneunzig Prozentaller Morde werden aufgeklärt, aber das sagte ich ja schon mal.
    »Für alles müssen wir herhalten. Die Kinder werden uns ungewaschen, ungefrühstückt, ohne das geringste Maß an Sozialverhalten vor die Tür gekippt und wir sollen es richten. Wir sollen ihnen beibringen, sich wie Menschen zu benehmen, mit Messer und Gabel zu essen, das Klo sauber zu hinterlassen, sich in ganzen Sätzen auszudrücken und ihren Mitschülern nicht direkt eins aufs Maul zu geben, bloß weil sie anders aussehen oder eine andere Meinung haben. Nebenbei sollen wir ihnen den größten Bildungsblödsinn einbläuen, der weder sie noch uns interessiert und niemandem auch nur ansatzweise im Leben noch mal nützlich sein wird. Und wenn wir das alles leisten, werden wir dafür auch noch zusammengeschlagen. Ich habe es so satt.«
    Zusammengeschlagen worden war er, wenn ich mich recht erinnerte, aus einem anderen Grund, aber im Zustand massiven Selbstmitleids konnte das ein oder andere Detail schon mal der weinerlichen Stimmung angepasst werden. Weinerlich war hier übrigens nicht mehr nur die Stimmung, sondern auch der AB C-Promoter : Tristan heulte.
    »Voll peino«, flüsterte Bülent neben mir.
    Da waren wir uns einig.
    »Also?«, fragte Gregor lässig. Weder genervt von dem Theater noch mitleidig wegen des Gejammers, sondern einfach nur lässig. So musste ein Mann sein.
    »Ich mache von meinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.«
    Gregor öffnete den Mund, um etwas zu sagen, als eine Krankenschwester eintrat.
    Ohne auf Gregor oder Jenny zu achten, stiefelte sie an Tristans Bett, schnarrte im Vorbeirauschen »Bitta Zimma valassen, bitta« und schlug Tristans Bettdecke zurück.
    Gregor wandte sich an Tristan. »Ich würde Sie jetzt normalerweiseins Präsidium mitnehmen, aber da Sie hier ans Bett gefesselt sind, muss ich mich damit zufriedengeben, Sie gut verwahrt zu wissen. Wenn Sie bereit sind, vernünftig zu reden, geben Sie mir Bescheid. Ein Kollege wird solange draußen vor der Tür dafür sorgen, dass Sie in Ihrer Genesung nicht abgelenkt werden.«
    Auf dem Flur hielt Gregor Jenny zurück. »Ich besorge einen Durchsuchungsbeschluss für seine Wohnung, sein Auto, sofern vorhanden, und sein Zimmer in der Schule.«
    Jenny nickte.
    »Du fährst jetzt direkt in die Schule und versiegelst sein Zimmer. Dann überprüfst du seine Angaben zum Alibi.«
    Jenny nickte mit geröteten Wangen.
    »Ich kümmere mich um die Papiere und um die Wache vor der Tür. Ich hoffe, dass ich sehr schnell zur Schule nachkomme   – ich rufe dich an, sobald ich etwas weiß.«
    Ich beschloss natürlich, Jenny zu folgen, denn Gregors Telefonate mit der Obrigkeit waren sicher nicht besonders spannend. Ich folgte ihr allerdings nicht durch stinkende Flure und überfüllte Aufzüge, sondern verließ das Spital durch das Dach, um mir kurz einen Überblick über meine Assistenten zu verschaffen. Niclas hatte ich schon länger nicht mehr gesehen, Edi und Jo würden wohl noch bei Mariam herumhängen und Bülent folgte mir wie ein Schatten. So weit also alles okay   – bis mich Martins Hilferuf erreichte.
    »Pascha, die Ärzte heben das Koma auf!«
    Es dauerte nur eine Sekunde, bis ich riffelte, was das bedeutete: Die Bonsais wurden wiedererweckt. Ihre Seelchen sollten sich also schnellstens bei ihren Körpern einfinden, damit die Zusammenführung funktionierte. Zumindest stellte ich mir das so vor.
    »Okay, Bülent, wo ist Niclas?«, fragte ich.
    Das Kümmelchen hatte zwar nicht Martins,

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