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Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Titel: Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
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Häftlings- und drei freie Jahre – nicht freie, aber als Freier Arbeiter.
    Doch aus dem Ton des Hauptbuchhalters hörte ich heraus, dass er mir hier nicht das kleinste Zugeständnis machen würde.
    Auf meinem Sparbuch – dem eines ehemaligen Häftlings – hatten sich, ohne Dienstjahre, in drei Jahren sechstausend Rubel angesammelt.
    Die Hasen, die ich fing, kochte, briet und aß, die Fische, die ich fing, kochte, briet und aß – hatten mir geholfen, diese erstaunliche Summe anzusammeln.
    Ich zahlte das Geld bei der Kasse ein, erhielt einen Reisescheck über dreitausend, Papiere, den Passierschein bis zum Flugplatz Ojmjakon, und ich machte mich auf die Suche nach einem Fahrzeug. Die Gelegenheit war schnell gefunden. Zweihundert Rubel – zweihundert Kilometer. Ich verkaufte die Decke, das Kissen – wozu all das im Flugzeug, verkaufte die medizinischen Bücher demselben Zapko zum staatlichen Preis – Zapko wird die Lehrbücher und Handbücher zum zehnfachen Preis verkaufen. Aber ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken.
    Schlimmer war etwas anderes. Ich hatte meinen Talisman verloren – das selbstgemachte Messer, das ich viele Jahre mit mir getragen hatte. Ich hatte auf Säcken mit Mehl geschlafen, und es war offensichtlich aus der Tasche gefallen. Um das Messer zu finden, hätte man das Fahrzeug entladen müssen.
    Früh am Morgen kamen wir in Ojmjakon an, wo ich vor einem Jahr gearbeitet hatte, in Tomtor, in meiner lieben Postabteilung, wo ich so viele Briefe abgeschickt und so viele Briefe bekommen hatte. Ich stieg am Hotel des Flugplatzes aus.
    »Hör mal«, sagte der Lastwagenfahrer, »hast du nichts verloren?«
    »Ich habe ein Messer verloren auf dem Mehl.«
    »Da ist es. Ich habe die Wagenwand geöffnet, und das Messer ist auf die Straße gefallen. Gutes Messerchen.«
    »Nimm das Messerchen für dich. Zur Erinnerung. Ich brauche keinen Talisman mehr.«
    Aber meine Freude war verfrüht. Im Hafen von Ojmjakon gab es keine Linienflüge, und seit dem Herbst hatten sich Passagiere für Dutzende Flüge angesammelt. Listen von vierzehn Personen, täglicher Appell. Transitleben.
    »Wann war das letzte Flugzeug?«
    »Vor einer Woche.«
    Das heißt, ich muss bis zum Frühjahr hier sitzen. Es war unbedacht, dem Fahrer meinen Talisman zu geben.
    Ich ging ins Lager, zu dem Einsatzleiter, bei dem ich vor einem Jahr als Feldscher gearbeitet hatte.
    »Du willst aufs Festland?«
    »Ja. Hilf mir bei der Abreise.«
    »Morgen gehen wir zusammen zu Weltman.«
    »Ist Kapitän Weltman immer noch Flugplatzchef?«
    »Ja. Nur ist er nicht Kapitän, sondern Major. Er hat neulich neue Tressen bekommen.«
    Am Morgen gingen der Einsatzleiter und ich in Weltmans Kabinett und begrüßten ihn.
    »Hier – unser Junge fährt ab.«
    »Und warum kommt er nicht allein? Er kennt mich nicht schlechter als dich, Einsatzleiter.«
    »Ja einfach zur Verstärkung, Genosse Major.«
    »Gut. Wo sind deine Sachen?«
    »Alles dabei«, ich zeigte ein kleines Sperrholzköfferchen.
    »Wunderbar. Geh ins Hotel und warte.«
    »Aber ich …«
    »Still! Tu was man dir sagt. Und du, Einsatzleiter, gibst mir morgen einen Traktor, den Flugplatz planieren, weil … ohne Traktor …«
    »Mache ich, mache ich«, sagte lächelnd Suprun.
    Ich verabschiedete mich von Weltman und dem Einsatzleiter, ging in den Hotelkorridor und fand, über Beine und Körper steigend, einen freien Platz am Fenster. Hier war es zwar kälter, aber später, ein paar Flugzeuge später, ein paar Schlangen weiter, werde ich am Ofen sein, direkt am Ofen.
    Es verging etwa eine Stunde, und die Liegenden sprangen auf und lauschten gierig auf den Himmel, das Dröhnen.
    »Ein Flugzeug!«
    »Ein Lastflugzeug, eine ›Douglas‹!«
    »Kein Last-, ein Passagierflugzeug.«
    Der Flugplatzinspektor in Ohrenklappenmütze mit Kokarde rannte über den Korridor, in der Hand eine Liste – eben die Liste mit vierzehn Personen, die sie hier schon einige Monate auswendiglernten.
    »Alle Aufgerufenen kaufen schnell ihre Flugkarten. Der Pilot isst zu Mittag, und es geht los.«
    »Semjonow!«
    »Hier!«
    »Galizkij!«
    »Hier!«
    »Und warum ist mein Name durchgestrichen?«, tobte der Vierzehnte. »Ich bin schon den dritten Monat auf der Warteliste!«
    »Was sagen Sie das mir? Der Flughafenchef hat das durchgestrichen. Weltman – eigenhändig. Gerade eben. Sie fliegen mit dem nächsten Flugzeug. Reicht das? Und wenn Sie streiten wollen – hier ist Weltmans Kabinett. Er ist da … Er wird es Ihnen

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