Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition)

Titel: Künstler der Schaufel: Erzählungen aus Kolyma 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Warlam Schalamow
Vom Netzwerk:
du?«
    »Ich bin Timoschenko.«
    »Ich sehe, dass du Timoschenko bist.«
    »Rede nicht so viel«, sagte der Vorarbeiter. »Wenn du mein Thermometer noch nicht probiert hast, wirst du es jetzt probieren. Geh, gib Dampf.« Und Timoschenko schob den Badewärter beiseite und betrat das Badehaus. Schwarze feuchte Finsternis erfüllte das Bergleute-Bad. Schwarze, geräucherte Decken, schwarze Kippen, schwarze Bänke entlang der Wände, schwarze Fenster. Im Badehaus war es dunkel und trocken wie im Schacht, und eine »Wolf«-Grubenlampe mit geplatztem Glas hing am Haken an einem Pfeiler mitten im Badehaus wie an einem Grubenstempel.
    Mischka zog sich schnell aus, wählte eine nicht ganz volle Tonne mit kaltem Wasser und hielt das Dampfrohr hinein – im Badehaus gab es einen Boiler, und das Wasser wurde mit heißem Dampf gewärmt.
    Der abgemagerte Badewärter sah von der Schwelle auf Timoschenkos rosigen, üppigen Körper und schwieg.
    »Ich habe es gern so«, sagte Timoschenko, »dass der Dampf lebendig ist. Du wärmst das Wasser ein wenig, ich steige in die Tonne, und du gibst langsam Dampf dazu. Wenn es gut ist, klopfe ich an das Rohr, und du stellst den Dampf ab. Der alte Badewärter, der Einäugige, kannte ja meine Gewohnheiten alle. Wo ist er?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete der Abgemagerte. Die Feldbluse des Badewärters spannte über den Schlüsselbeinen.
    »Und woher kommst du?«
    »Aus dem Isolator.«
    »Bist du etwa Tschudakow?«
    »Ja, ich bin Tschudakow.«
    »Ich habe dich nicht erkannt. Dann wirst du reich«, lachte der Vorarbeiter.
    »Im Isolator bin ich so auf Grund gelaufen – und jetzt erkennst du mich nicht! Hör zu, Mischka«, sagte Tschudakow, »aber ich habe dich gesehen …«
    »Wo?«
    »Hinter der Brücke. Ich habe gehört, was du da dem Bevollmächtigten vorgesungen hast …«
    »Jeder rettet die eigene Haut«, sagte Timoschenko. »Das Gesetz der Tajga. Es sind Kriegszeiten. Und du bist ein Dummkopf. Du bist ein Dummkopf, Tschudakow. Ein Dummkopf mit kalten Ohren. Was du dir aufgehalst hast für diesen Teufel Andrejew.«
    »Na das ist schon meine Sache«, sagte der Badewärter und ging. Der Dampf begann in der Tonne zu donnern, zu brodeln, das Wasser wurde warm. Mischka klopfte – Tschudakow schaltete den Dampf aus.
    Mischka kletterte auf die Bank und wälzte sich von der Bank in die schmale hohe Tonne … Es gab niedrigere, breitere Tonnen, aber der Vorarbeiter nahm das Dampfbad gern gerade in dieser. Das Wasser reichte Mischka bis zum Hals. Vor Wohlbehagen blinzelnd, klopfte der Vorarbeiter an das Rohr. Gleich brodelte der Dampf los. Es wurde warm. Mischka machte dem Badewärter ein Zeichen, aber der heiße Dampf schlug weiter ins Rohr. Der Dampf verbrühte seinen Körper, und Timoschenko bekam Angst, er klopfte noch einmal und versuchte sich zu befreien, aus der Tonne zu springen, aber die Tonne war schmal, das Eisenrohr war beim Aussteigen im Weg – im Badehaus war nichts zu sehen vor weißem, wallenden, sich verdichtenden Dampf, und Mischka brüllte mit wüster Stimme los.
    Das Bad für die Arbeiter fand an diesem Tag nicht statt.
    Als man Tür und Fenster öffnete, zerstreute sich der dichte trüb-weiße Nebel – der Lagerarzt kam. Timoschenko atmete schon nicht mehr – er war bei lebendigem Leib gekocht.
    Tschudakow wurde vom Posten als Badewärter irgendwohin versetzt, der Einäugige kam zurück, man hatte ihn nicht entlassen, er war einfach einen Tag in der Gruppe »W« gewesen – wegen Krankheit zeitweise von der Arbeit befreit. Er hatte Fieber.
    1959

Mai
    Der Boden des Holzfasses war ausgeschlagen und mit einem Gitter aus Flacheisen verschlossen. In dem Fass saß der Hund Kasbek. Sotnikow fütterte Kasbek mit rohem Fleisch und bat alle Vorbeikommenden, den Hund mit dem Stock zu stechen. Kasbek knurrte und zerbiss den Stock. Der Einsatzleiter Sotnikow zog in dem künftigen Kettenhund die Erbitterung heran.
    Das Gold wuschen wir den ganzen Krieg über in Pfannen, eine Goldsuchmethode, die früher in den Bergwerken verboten war. Früher durfte mit der Pfanne nur der Wäscher vom Schürfdienst waschen. Die Tagesnorm wurde vor dem Krieg in Kubikmeter Erde angegeben, im Krieg dann in Gramm Metall.
    Der Einarmige schaufelte geschickt mit der Schippe Erde in die Pfanne, ließ Wasser einströmen und rüttelte die Pfanne vorsichtig über dem Bach, wobei er den in der Pfanne gewaschenen Stein in den Bach kippte. Auf dem Pfannengrund blieben, wenn das Wasser abgelaufen war, die

Weitere Kostenlose Bücher