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Künstlerpech: Palzkis achter Fall

Künstlerpech: Palzkis achter Fall

Titel: Künstlerpech: Palzkis achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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Familienstammbaum. Aber zurück zu Matthias: Kaum war er wieder hier, hatte er auch schon seine Kassenzulassung in der Tasche. Das lief über einen früheren Kumpel, der bei der kassenärztlichen Vereinigung was zu sagen hatte. Nach ein paar Jahren wurde das Matthias aber zu langweilig. Immer nach Schema F, sagte er mal, als wir an Weihnachten oder einem runden Geburtstag zusammensaßen. Matthias wollte in der Medizin neue Pfade betreten und seine Ideen verwirklichen. Irrsinn, sage ich Ihnen, Herr Palzki. Da er sich mit den Kassenleistungen eingeengt vorkam, hat er seine Zulassung zurückgegeben und versucht seitdem, sich als freier medizinischer Berater zu etablieren. Seine Mobilklinik soll brummen, hat er vor ein paar Monaten zu unserer Schwester gesagt.«
    Damit hatte er ein weiteres unsägliches Thema angesprochen. Dr. Metzger hatte sich mit einer Mobilklinik, die sich in einem Reisemobil befand, selbstständig gemacht. Gewöhnlich parkte er auf einem Campingplatz zwischen Waldsee und Altrip, doch für seine Kunden, wie er die Patienten nannte, war ihm kein Weg zu weit. Sein Gewerbe tarnte er als ›Gesundheitsberatung und Prophylaxe‹, wobei er nicht davor scheute, Kunden in seinem Reisemobil zu operieren und dies als Prophylaxe gegen den Tod zu begründen.
    Ich stellte eine Frage, deren Antwort mich seit einiger Zeit umtrieb. »Ist das legal, was Ihr Bruder da treibt?«
    »Halbbruder«, verbesserte er. »Machen Sie es nicht schlimmer, als es ist. Genehmigungen haben Matthias nie interessiert. Wo keine Kläger sind, da gibts auch keine Probleme, pflegt er zu sagen. Einmal hätte es eine Behörde versucht, da hat er der ganzen Abteilung einen Gesundheitscheck geschenkt und nebenbei ein paar Wehwehchen beseitigt. Nachdem er den Abteilungsleiter von seiner Schwerhörigkeit geheilt hatte und der daraufhin die bösen Kommentare seiner Mitarbeiter hinter seinem Rücken verstehen konnte, hatte Matthias bei ihm nicht nur einen Stein im Brett. Seitdem darf er als Notarzt die vorderpfälzer Straßen unsicher machen.«
    »Halt, was machen Sie da, Herr Tuflinsky?«
    Erstaunt blickten wir zu Stefanus, der mit dem Zwischenruf einen Mann meinte, der mit einem Holzbalken unter dem Arm in Richtung Kulisse ging.
    »Ich werde die Rückfront des Fachwerkhauses noch etwas verstärken«, meinte dieser.
    »Lassen Sie doch«, rief Stefanus zurück. »Das ist längst alles überprüft und abgenommen.«
    Tuflinsky ließ sich nicht beeindrucken. Mitsamt Balken verschwand er hinter der potemkinschen Hausfassade.
    Gerhard nahm die Gelegenheit wahr und bat Pako um einen Gefallen. »Ist es unverschämt, Sie um ein Autogramm zu bitten?«
    »Ach wo, das mache ich doch gern.« Er zog eine Karte mit seinem Konterfei und einen Schreibstift aus einer Umhängetasche und fragte meinen Kollegen: »Wie heißt denn Ihre Partnerin?«
    »Claudia, äh, nein, natürlich Jasmin«, stotterte Gerhard. »Das Autogramm soll aber für mich sein. Es – «
    Ein ohrenbetäubendes Knallen und Krachen ließ uns zusammenzucken und in Richtung Bühnenbild starren. Die ersten Fassadenteile lagen bereits auf dem Boden, andere stürzten gerade wie im Dominoeffekt nach. Staubwolken sausten nach oben, kleinere Splitter spritzten durch die Gegend. Im Nu lag auf der Bühne ein Trümmerhaufen. Das Bühnenbild war komplett zusammengesackt, im Hintergrund flimmerte ein von Strahlern angeleuchteter dunkelbrauner Vorhang, der die beklemmende Atmosphäre verstärkte.
    Da Gerhard und ich keine Gefahr durch weitere fallende Teile ausmachen konnten, rannten wir zur ein Meter erhöhten Bühne. Mein Kollege, der Marathonläufer, nahm den Höhenunterschied ohne sichtliche Anstrengung. Bei mir sah die Besteigung etwas unbeholfener aus, doch letztendlich ist der Weg das Ziel, und auf zwei oder zehn Sekunden kam es wohl nicht an.
    Gerhard hatte bereits begonnen, die ersten Trümmer auf die Seite zu schieben. Von der Bühnenseite kamen Stefanus und Pako und räumten ebenfalls Holzteile weg. So gelangten wir recht zügig zur Vorderfront des Fachwerkhauses, die nach hinten gestürzt war. Bis auf abgesprungene Kanten lag sie weitgehend intakt vor uns, wirkte aber instabil, da die Wand verzogen und wellenförmig auf weiteren Trümmern lag. Von allen Seiten kamen Helfer angerannt, und gemeinsam gelang es uns, die hölzerne Hausfassade über die Bühnenvorderkante zu ziehen. Mit einem lauten Knall fiel sie auf das Parkett vor der ersten Stuhlreihe.
    Während ich höchstens eine Handvoll Sekunden

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