Künstlerpech: Palzkis achter Fall
Ränge bis nach oben zu gehen. Um nicht ins Hintertreffen zu gelangen, stieg ich Riehle und Gerhard nach. Der Geschäftsführer zeigte auf eine Tür, die genauso schwarz war wie die umlaufende Wand. »Vorhin waren wir auf der anderen Seite gestanden. Sie können sich erinnern? Das war das Treppenhaus, das im Hinterhof beginnt.«
Ich war inzwischen froher Hoffnung, für heute die letzten Stufen bergauf gegangen zu sein. Leider erwies sich diese Hoffnung als trügerisch. Ich wollte von Riehle wissen, was sich hinter der Tür, die etwa fünf Meter links von der, vor der wir im Moment standen, befand.
»Gehts da noch höher?«, schnaufte ich stakkatoartig, und meine Pupillen verdrehten sich ohne mein Zutun.
»Was ist mit dir los?«, fragte Exfreund Gerhard. »Ist das für dich zu anstrengend? Möchtest du unten an der Bar warten?«
Riehle hatte die gehässige Bemerkung nicht mitbekommen. Er war zu der Tür gegangen und hatte sie aufgeschlossen. »Das ist nur ein kleiner Lagerraum«, meinte er.
Wir gingen zu ihm und schauten hinein. Gerhard genoss die Aussicht nach unten in Richtung Bühne. Dabei fiel ihm eine Frage ein. »Herr Riehle, wir waren vorhin in den Büros. Das kam mir alles ein wenig klein vor. Reicht das, um solch ein Haus zu führen?«
Der Geschäftsführer nickte voller Bewunderung. »Das haben Sie gut bemerkt, Herr Steinbeißer. In den Büros sind nur die Räume für die Durchführung des Betriebs. Aus Platzgründen ist das Verwaltungsbüro auf der anderen Seite des Hauses. Da müssen wir aber eine andere Treppe nehmen. Die beiden Büros sind nicht verbunden, außerdem liegt die Verwaltung noch einen Tick höher.«
»Ich glaube, das können wir uns sparen«, meinte ich. »Büroräume sind langweilig.« Was der Unterschied zwischen Betriebsräumen und Verwaltungsräumen war, wusste ich nicht. Schließlich bin ich Polizeibeamter und kein Betriebs- oder Verwaltungswirt.
»Was ist das?«, rief auf einmal Gerhard laut auf und zeigte nach unten. »Wo sind die beiden auf einmal hergekommen?«
Wir blickten auf Dr. Metzger und seinen Halbbruder, die sich mitten auf der Bühne stehend stritten. Von hier oben konnten wir nur Wortfetzen verstehen. ›Bruderehre‹ und ›arme Mutter‹ konnte ich der wie immer hoch modulierten Stimme des Notarztes entnehmen, während sein Halbbruder wesentlich leiser argumentierte, dafür aber mit teils wilder Gestik. Ich nutzte die Gelegenheit, um mich in einen der bequemen Kinosessel zu fläzen. Die beiden anderen machten es mir nach. Gemeinsam verfolgten wir das Bühnenstück.
»Schade, dass die beiden nicht verkabelt sind«, meinte Gerhard. »Das wäre bestimmt interessant, was Pako mit seinem Halbbruder auszudiskutieren hat.«
»Dieser Kerl ist Pakos Bruder?«, fragte Riehle erstaunt.
»Und außerdem ein unfähiger Arzt«, ergänzte ich.
»Pako hatte mal erwähnt, dass er einen Bruder hat, den er zum Glück nur ganz selten sieht, weil er in seiner Art etwas komisch wäre.«
»Ist ja zu seinem Glück nur ein Halbbruder.«
Wir sahen, wie Pako seinem Gegenüber mit einer ausholenden Geste den Vogel zeigte, sich umdrehte und mit zwei, drei Schritten im dunklen Bühnenvorhang verschwand.
»Dort gibt’s einen Durchgang zum Künstlerbereich«, klärte uns der Geschäftsführer auf.
Dr. Metzger stand ein paar Sekunden allein und ratlos auf der Bühne. Ich begann zu klatschen, was sich durch die gute Akustik wundersam vermehrte. Der Notarzt blickte nach oben und erkannte uns. Während er von der Bühne herabsprang und zum Ausgang lief, schrie er laut in den Saal: »Ich komme wieder, keine Frage!«
Riehle stand auf. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Verwaltung. Und den Keller, der ist auch sehr interessant.«
Ich musste meine Beine zur Ordnung rufen, damit sie mir wieder einigermaßen gehorchten. Vielleicht hatte auch eine fremde Macht die Erdanziehungskraft verdoppelt, wer weiß.
Ich hatte es befürchtet, wir mussten runter bis ins Erdgeschoss. Riehle ging in den Saal und verließ ihn links neben der Bühne gleich wieder. Dr. Metzger war längst verschwunden. Wir kamen in einen für die beengten Verhältnisse breiten und kerzengeraden Flur, der im rechten Winkel zur Straße verlief. Am linken Ende konnte ich ein Hoftor erkennen.
Der Geschäftsführer erklärte: »Das war früher eine Einfahrt in den Hinterhof, die irgendwann mal überbaut wurde. Künstler können hier mit kleineren Transportern reinfahren und ihre Sachen entladen.« Er zeigte nach rechts. »Dort gehts
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