Küss mich später: Marsden 1 - Roman (German Edition)
reagieren würde.
Er sollte es lieber bleiben lassen. Aber er musste es wissen. »Hat er … Hat dein Vater jemals …«
»Ob er mich geschlagen hat?«, beendete sie den Satz für ihn.
»Ja.« Seine Stimme klang ungewohnt rau, selbst für seine eigenen Ohren. Er hielt gespannt die Luft an.
»Nein.«
Mike atmete erleichtert auf.
»Aber nicht, weil er es nicht gewollt hätte. Das war das Einzige, was meine Mutter je fertiggebracht hat, jedenfalls als ich noch jünger war. Sie hat gesagt, sie würde ihn erstechen, wenn er die Hand gegen mich erhebt, und das hat er ihr wohl geglaubt. Leider konnte sie sich für sich selbst nie so einsetzen. Er hat behauptet, sie hätte es verdient, so behandelt zu werden, und irgendwann hat sie ihm geglaubt.« Cara schüttelte den Kopf. »Als ich dann älter war, habe ich einfach möglichst wenig Zeit zu Hause verbracht.«
Sie starrte auf den Tisch, und Mike wusste genau, was ihr durch den Kopf ging.
»Mach dir deswegen keine Vorwürfe«, sagte er leise. »Es war die Aufgabe deiner Eltern, für dich zu sorgen. Deine Mom hat offenbar ihr Möglichstes getan, auch wenn sie es nicht für sich selbst tun konnte. Und dein Dad hat auf der ganzen Linie versagt. Genau wie meiner. Ich hatte nur das Glück, dass Simon für ihn eingesprungen ist.« Der Mann, dessen Erwartungen er niemals gerecht werden würde.
»Woher hast du gewusst, was ich denke?«, fragte Cara.
Tja, weil er sie inzwischen etwas besser kannte und infolgedessen auch besser verstand. Aber das würde er ihr gewiss nicht auf die Nase binden. »Ich habe einfach geraten«, sagte er und zwang sich zu einem lässigen Grinsen. »Und, geht’s dir schon besser?«
»Ich habe meinen Tee zwar nicht angerührt, aber ja, es geht mir besser, danke. Du bist ein guter Freund .«
Es war sonnenklar, was sie ihm damit zwischen den Zeilen zu verstehen geben wollte, und Mike begriff selbst nicht, warum er sich so daran störte. Vorhin waren sie noch ganz verrückt nacheinander gewesen. Aber das war bloß Sex gewesen. Oder?
Als er ihre Getränke bezahlte, erhob sie zu seiner Überraschung diesmal keine Einwände. Danach brachte er sie zu ihrem Jeep, obwohl er gern noch eine Weile ihre Gesellschaft genossen hätte. Sie würden sich zwar gezwungenermaßen bald wiedersehen, weil sie sich eine Strategie überlegen mussten, ehe sie die Nachforschungen über den ungeklärten Fall und Simons Beteiligung angingen, aber das wollte er im Moment nicht erwähnen.
»Hast du morgen Abend schon etwas vor?«, fragte er sie stattdessen.
Sie blinzelte überrascht. »Nein, warum?« Ihre Augen erschienen ihm wie zwei weit geöffnete Fenster zu ihrer Seele.
»Ich dachte, vielleicht hast du ja Lust auf ein Familienessen bei mir zu Hause.« Mike konnte selbst nicht glauben, was er da sagte.
Wie sie so auf ihrer Unterlippe herumkaute, bekam er direkt Lust, sie zu küssen. Aber das musste warten, im Augenblick war sie viel zu durcheinander.
»Meinst du nicht, dass deine Eltern etwas dagegen haben könnten?«, fragte sie und brachte damit seine Gedanken wieder auf den rechten Weg.
Er hob eine Augenbraue. »Soll das ein Witz sein? Meine Mutter liebt es zu kochen, und wir wissen beide, dass sie einen Narren an dir gefressen hat.«
Cara errötete. »Sie ist echt ein Goldschatz. Aber der Sonntagabend ist doch normalerweise der Familie vorbehalten.«
Bildete er sich das nur ein, oder schwang in ihren Worten eine leise Sehnsucht mit?
»Du gehörst für meine Leute zur Familie.« Wobei er selbst alles andere als geschwisterliche Gefühle für sie hegte. Er wusste auch nicht, was ihn geritten hatte, als er die Einladung ausgesprochen hatte.
»Na gut, wenn du ganz sicher bist …«
Die Dankbarkeit in ihren blauen Augen lieferte ihm die Antwort: Er war erpicht darauf, sie dabeizuhaben, und sie war nicht minder erpicht darauf, die Einladung anzunehmen. »Das bin ich.«
Sie nickte. »Dann rufe ich Ella an und frage sie, was ich mitbringen soll.«
Mike ahnte bereits, was seine Mutter sagen würde, nämlich: »Gar nichts.«
»Komm gegen fünf vorbei«, sagte er.
Bei ihrem Lächeln wurde ihm ganz anders. »Okay«, sagte sie und streckte die Hand nach dem Türgriff aus.
»Cara …«
Sie wirbelte noch einmal herum, und er hob, ohne es zu wollen, die Hand und strich ihr mit den Fingerknöcheln über die Wange.
»Schlaf dich ordentlich aus«, murmelte er.
Bei seiner Berührung überzog eine sanfte Röte ihr Gesicht, was nichts mit der kalten Nachtluft zu tun hatte.
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