Kuess mich toedlich
angestellt ?« Er verschränkte die Arme vor der Brust.
»Was bist du ?« , zischte sie ihm mit zufallenden Augen entgegen, »mein Aufpasser?«
Er sah sie an, als wollte er sie zerfetzen. »Nein, bloß der Kerl, den du im Bett zurückgelassen hast.«
»Autsch.« Sie musste lachen, aber es war nicht komisch.
Der Kerl, der aussah wie Ben und vermutlich Ben war, fuhr sich matt übers Gesicht und setzte sich ihr gegenüber. »Sag bloß, du hast in meiner Abwesenheit mit dem Trinken angefangen ?« Er nickte zur halb leeren Wodkaflasche in ihrer Hand.
»Abwesenheit?« Verdammt, sie nuschelte. Dafür gönnte sie sich noch einen Schluck scharf beißenden Himmels, der zweitbesten Form des Vergessens, wie sie feststellen musste. »Abwesenheit«, blaffte sie nochmals. »So nennen das alle gern, die sich verpissen und andere zurücklassen. Wie du. Wie mein Vater und all die anderen Abwesenden …Auf alle Abwesenden!« Sie hob die Flasche hoch und prostete der Luft zu. »Dann geht der auf mein Mamilein «, deklamierte sie laut in die Bar hinein, lächelte schmerzhaft und kippte wieder einen Schluck aus der Flasche in ihren Mund. Scheiße, brannte das vielleicht die Kehle runter.
Ben nahm ihr die Flasche aus den schwachen Fingern und riss sie an sich. Mit einem lauten Klirren landete sie auf dem Boden. Der Rest Alkohol spritzte über das Parkett. Wie konnte er es wagen! Sarah funkelte ihn erschrocken durch verklebte Wimpern an.
»Jetzt hör mir mal zu. Ich hab dich nicht zurückgelassen. Verstehst du? Das weißt du ganz genau. Ich war, genauso wie du auch, fest davon überzeugt, dass du nicht mehr lebst. Wie hätte ich es auch nicht sein sollen ?«
Die beherrschte Ruhe, in der er sprach, machte ihr mehr Angst, als wenn er brüllen würde. »Ach ja, wie schön für dich.« Sie stellte fest, dass er sich sehr beherrschen musste, denn seine Hände zitterten, während sie ihn verletzen wollte. Doch egal, wie schlimm sie sich benahm, er hielt sich noch zurück.
»Wie kannst du so was sagen ?« Gekränkt zog er die Arme um sich.
Sie schloss die Augen und hatte das Gefühl, zusammenzufallen. »Weil ich es nicht war …« Er hatte sie offenbar nicht verstanden und sah sie mit gefurchter Stirn an. »Weil ich es nicht war«, wiederholte sie unter Tränen und schüttelte sich, um den Rausch abzumildern. »Ich wusste, dass du tot warst, dass du tot sein musstest, aber ich war mir nicht sicher. Ich war mir nicht sicher, wie ein Irrer sich nicht sicher ist, ob seine Halluzinationen echt sind oder ob er sich nur wünscht, sie wären es .«
»Wie meinst du das ?« Bens Stimme wurde sanfter, er fasste nach ihrer Hand.
Sie begann zu weinen und merkte, dass sie nur noch unverständliches Zeug faselte. Was zur Hölle redete sie da? Konnte sie sich nicht mal ein paar Minuten zusammenreißen? Erst jetzt wurde ihr klar, wie betrunken sie tatsächlich sein musste. Als sein Gewicht plötzlich die Bank zum Knarren brachte, erschrak sie, denn sie hatte nicht bemerkt, dass er sich zu ihr gesetzt hatte. Seine Wärme tröstete sie und erinnerte sie gleichzeitig an all die schrecklichen Momente, als sie sich diese eingebildet hatte. Alles wirbelte in ihrem Kopf durcheinander. Gestern noch hatte sie mit Ben geschlafen, jetzt war sie betrunken und hatte nichts Besseres auf Lager, als mit ihm zu streiten. Was stimmte bloß nicht mit ihr? Ben war da. Ein wahr gewordener Traum. Warum konnte sie nicht genauso aus ihrer Dunkelheit herausfinden, wie er es offenbar geschafft hatte, seit sie sich wiedergefunden hatten? Vor ein paar Stunden noch war sie glücklich gewesen, wirklich glücklich. Wieso machte ihr das so schreckliche Angst? Nichts davon konnte sie Ben erzählen. Sicher, sie versuchte es, aber alles, was durch den Wodkaschleier drang, war weinerliches Nuscheln, das sie seiner Schulter erzählte. Das war vielleicht erbärmlich.
Wann hatte er sie in den Arm genommen? »Alles wird gut .« Natürlich belog er sie, aber sie korrigierte ihn nicht. Dafür war sie zu fertig.
Das Nächste, woran sie sich erinnerte, war das Klimpern von Schlüsseln, als Ben ihre Wohnung aufschloss. Als er sie absetzte, begann sich umgehend alles zu drehen und Galle kam ihren Hals hoch. Sie stemmte sich von ihm, torkelte ins Bad und nahm dumpf wahr, dass er ihr folgte. Noch gerade rechtzeitig beugte sie sich über das Becken. Seine Hand fuhr beruhigend über ihren Rücken, während sie sich die Seele aus dem Leib kotzte. Lara und Sarah hatten eine Gemeinsamkeit. Sie
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