Kuess mich toedlich
stieß einen frustrierten Seufzer aus. »Du bist nicht besonders locker, oder ?« , fügte er leise hinzu.
Etwas an dieser so harmlos klingenden Formulierung ließ sie hochkochen. Immer ging es in ihrem Leben darum, wie andere sie haben wollten. Darum, wie sie nicht sein konnte. Bei Anna Maria, schon damals in der Schule, als man sie schikanierte und ihr deutlich zeigte, dass sie nicht dazugehörte, und jetzt auch noch bei Ben, diesem attraktiven Kerl, der ihr den Kopf verdrehte.
»Oh, Verzeihung.« Sarah lehnte sich von Ben weg. »Tut mir ja leid, dass ich nicht deiner Vorstellung von einem lockeren Mädchen entspreche, das sich mit jedem gleich auf einen Flirt einlässt oder wer weiß was anstellt .« Sie hasste sich, wenn sie derart überreagierte. Aber wenn jemand sie angriff, machte sie dicht, egal, wie ungewollt der Angriff auch sein mochte. Ben hatte sie gekränkt, was sie schlimmer traf, als sie zugeben wollte, weil sie sich trotz aller Widrigkeiten Hoffnungen gemacht hatte. Eigentlich war sie wütend auf sich, aber sie ließ es an Ben aus.
Sarah verschränkte die Arme und warf ihm einen eiskalten Blick zu. »Vielleicht solltest du deinen Kaffee ein paar Minuten später am Tag holen, denn um diese Zeit kommt Anna Maria von ihrer Mittagspause zurück. Ich denke, sie und ihre lockere Art sind eher nach deinem Geschmack, also verschwende dein Pulver von nun an bei ihr .«
*
Der verletzte Tonfall und die Endgültigkeit, die er in ihren Augen ablas, ließen Ben innerlich zusammenzucken. So schnell war er noch nie in die Nesseln gefallen. Normalerweise gelang es ihm, in seinem Gegenüber wie in einem Buch zu lesen und ihm genau die Dinge auf genau die Weise zu sagen, wie er es gern von ihm hören wollte. Derlei Techniken gehörten zu seinen Aufgaben. Aber bei Sarah hatte er gerade eine absolute Bruchlandung hingelegt. Schlimmer noch, offensichtlich musste er ihr das Gefühl gegeben haben, sie wäre nur ein billiger Aufriss für ihn, wenn sie ihn gleich an die reichlich zugänglich wirkende Anna Maria verwies. Nicht nur, dass er seine gerade erst begonnene Verbindung zum Zielobjekt torpediert hatte, er musste Sarah verletzt und offenkundig beleidigt haben, so wie sie jetzt weit von ihm weggelehnt dastand. Am liebsten hätte er sich dafür die Zunge abgebissen, denn genau so, wie sie ihn ansah, wollte er nicht mehr angesehen werden, vor allem nicht von ihr. Mit dieser Mischung aus Distanz und Verachtung. Wie er schon von den Erziehern im Kinderheim und von den Ausbildern seiner Auftraggeber angesehen worden war.
Ja, wenn sie die Wahrheit über ihn wüsste, würde er diesen Blick mehr als verdienen, aber aus ihren Augen war er unerträglich. »Es tut mir leid, wenn irgendetwas, das ich gesagt habe, dich verletzt hat. Bitte, verzeih mir. Das lag wirklich nicht in meiner Absicht, Sarah .« Ben ließ seine Augen dabei immer trauriger aussehen – etwas, das er sehr gut zu beherrschen und einzusetzen wusste, besonders bei Frauen. Meistens wurden sie weich und gaben nach. So auch bei Sarah, die ihm lange in die Augen sah und unwillkürlich begann, ihn aufmunternd anzulächeln. Manchmal hasste Ben es, dass er Menschen derart gut manipulieren konnte. Auch wenn es seinen Zweck erfüllte.
»Schon gut. Vielleicht habe ich etwas überreagiert .«
»Dann bin ich weiter hier willkommen, auf einen Kaffee und auch auf ein Gespräch ?« Sarah nickte, doch Ben konnte den Eindruck nicht abschütteln, dass es wider besseres Wissen geschah.
Es lief doch von Anfang an schief. Mittlerweile gestand Ben es sich endlich offen ein. Er musste es einsehen. Er hatte ständig mit ihr geflirtet. Konnte nicht damit aufhören, obwohl sie nicht wirklich Interesse daran gezeigt hatte. Hatte sie auf eine plumpe Art ausgefragt, für die ihn die Familie vierteilen würde und das Allerschlimmste: Er hatte ihr seinen echten Namen genannt. Und das, nachdem er sich bereits eine perfekte Tarnidentität inklusive falschem Namen zurechtgelegt hatte.
Aber er hätte es nicht ausgehalten, von ihr mit einem anderen Namen angesprochen zu werden. In seiner Vorstellung sagte sie schließlich schon seit Tagen seinen Namen, und als sie ihn tatsächlich zum ersten Mal laut ausgesprochen hatte, wollte er sämtliche Vorschriften und Anweisungen zum Teufel jagen und nur immer wieder hören, wie sie ihn aussprach und mit ihm redete. Jetzt hatte er sich sogar dieses kleine bisschen Freude in seinem beschissenen Leben kaputt gemacht, weil er sie angraben
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