Kuess mich toedlich
bedeutet Tod !« Seine Worte hallten von den hohen Mauern, die alles umgaben und die Außenwelt aussperrten, wider.
»Wiederhole es«, forderte der wütende Mann lautstark.
Ben tat es, mechanisch, ohne etwas dabei zu empfinden. Er versuchte, es ebenso auszublenden, wie er den grellen Schmerz seines Körpers mittlerweile mit aller Macht ignorierte, um weitermachen zu können. Um nicht zu versagen. »Verweigerung bedeutet Verrat, Versagen bedeutet Verrat. Verrat bedeutet Tod !«
»Und jetzt sag mir, wozu du hier bist !« Selbstzufrieden schweifte der Blick seines Ausbilders über seinen geschundenen Körper.
»Geboren, um zu töten«, hechelte er, brach zusammen und übergab sich auf die Laufbahn. Fühlte es sich so an, gebrochen zu werden?
Ben seufzte. Immer wenn er an diesen Moment zurückdachte, als er mit vierzehn Jahren fast zu Tode gehetzt worden war, weil die Familie der Meinung war, ihn zusätzlich brechen zu müssen, da er noch immer nicht aufgehört hatte, Wünsche zu äußern, schauderte Ben. Es war der letzte Moment seines Lebens gewesen, in dem er der Familie getrotzt hatte – bis auf eine Ausnahme in seiner jüngsten Vergangenheit, die seine verschüttete Menschlichkeit wieder entfacht und alles, was jetzt in ihm vorging, ins Rollen gebracht hatte.
Es war Bens letzter Auftrag, der ihn zu einer Kanalbrücke geführt hatte, über die er ins Flusswasser gesprungen war. Aber er war nicht gestorben. Hatte überlebt. Und jetzt war er hier. Wenn dieser Auftrag nicht gewesen wäre, könnte er vielleicht weiterhin so tun, als ob er im Inneren kalt und leer wäre. Aber so war es nicht. Nicht mehr. Dieser scheinbar einfache Mordauftrag hatte alles verändert, er hatte ihn verändert, sodass er sein Opfer nicht ohne Reue hatte töten können und nicht mehr die Gefühle in sich abzustellen vermochte. Seine Menschlichkeit hatte in einer Art Winterschlaf gelegen und war nun erwacht. Es war völlig absurd, aber Sarah war ebenfalls dabei, ihn zu verändern, und er wusste, dass auch diese Veränderung von Dauer war. Dieser Auftrag könnte ihn das Leben kosten oder ihn endgültig zu einem seelenlosen Assassin machen.
Ben stand vor einer Entscheidung. Seinen letzten Atemzug für einen anderen zu opfern, sollte sie schuldig sein, oder sie zu töten und endgültig seine Seele zu verlieren. Aber dieses Mal war es nicht Mitleid, das in ihm erwacht war, wie beim letzten Mal. Dieses Mal trieb ihn etwas Unbekanntes an, das Sarah auslöste und er gleichermaßen ergründen und von sich stoßen wollte. So viel war sicher. Es würde in einer Katastrophe enden. Nur wie schlimm es werden würde und wer dabei draufging, war noch unklar.
Ben klatschte sich einen Schwall kalten Wassers ins Gesicht und starrte in den zersprungenen Badspiegel. Er wünschte, er könnte seine Vergangenheit und seine ungewisse Zukunft abwaschen. Nur noch in der Gegenwart leben, die für ihn einer verführerischen Illusion glich, in der er als Student lebte und hinter einer hübschen Rothaarigen her war, die sich unbedingt in ihn verlieben musste.
Aber das hier war keine Liebesgeschichte. Grimmig verzog er das Gesicht und strafte sein frisch rasiertes Spiegelbild mit einem vernichtenden Blick. »Liebe«, stieß er bitter hervor. Für sie beide würde es kein Happy End geben. Im besten Fall konnte er sich ein paar glückliche Momente mit ihr stehlen, ehe er verschwinden musste, sollte er in der Lage sein, die Familie von ihrer Unschuld zu überzeugen. Und im schlimmsten Fall würden sie ihm befehlen, Sarah zu töten oder, sollte er sich weigern, jemanden schicken, der sie beide zur Strecke brachte. Wie er die Familie kannte, müsste er vermutlich zusehen, wie man sie noch quälte, bevor sie starb, um dann für seinen Frevel gefoltert und getötet zu werden. Es wäre nicht das erste Mal.
Wenn eines sicher war, dann, dass es keinen Ausweg gab. Also warum nicht das einzige Glück stehlen, das es jemals für ihn geben würde?
Sarah erobern und vielleicht ein paar Mal in ihren Armen vergessen können. War er dazu fähig? War er dazu in der Lage, sie verliebt in sich zu machen, für eine kurze Zeit seinen Gefühlen nachzugeben und dann zu gehen?
Er wusste es nicht. Dennoch redete er sich ein, dass er es könnte. Etwas flüsterte ihm zu, dass er Sarah auf jeden Fall nicht davonkommen lassen durfte, ohne ihr wenigstens einmal richtig nahe gekommen zu sein.
Damit war es beschlossen. Ben würde sie verführen.
Nicht für die Familie, nicht um sie
Weitere Kostenlose Bücher