Küss mich, wenn Du kannst
seit einer Woche waren Kevin und Molly draußen, und die anderen Buchclubmitglieder machten sich gerade auf den Weg dorthin. Aber so viel Zeit konnte sich Mr. Superagent nicht nehmen, und deshalb organisierte er einen Flug im Firmenjet eines Freundes. Während er telefonierte, schaute Annabelle, die noch nie in einem Privatjet gesessen hatte, aus dem Fenster und versuchte, sich zu entspannen. Was machte es schon aus, wenn sie mit Heath fürs Wochenende ein Cottage teilte? Meistens würde er mit den Männern herumhängen oder versuchen, Phoebe zu beeindrucken. Also würde sie ihn kaum sehen. Und das war gut so, denn all die Pheromone, die er ausstrahlte, zerrten an ihren Nerven. Glücklicherweise verstand sie den Unterschied zwischen biologischer Anziehungskraft und dauernder Zuneigung. Mochte er sie auch reizen, sie war nicht selbstzerstörerisch veranlagt.
Am Rand der kleinen Landebahn wartete ein gemieteter Geländewagen. Sie waren nur etwa achtzig Meilen von Mackinac Island entfernt, und mit der milden Nachmittagsbrise wehte der frische Kiefernduft der nördlichen Wälder heran. Heath ergriff Annabelles Reisetasche zusammen mit seiner eigenen und trug sie zum Auto. Dann kehrte er in den Flieger zurück, um seine Golfschläger zu holen. Leichtsinnigerweise hatte sie ihr Budget überstrapaziert und ein paar neue Klamotten für den Trip gekauft, zum Beispiel eine beige Hose mit dünnen braunen Streifen, die ihre Beine verlängerten. Mit einem koketten bronzefarbenen Top betonte sie die winzigen Bernsteinohrringe, ein Weihnachtsgeschenk von Kate. Am Vortag hatte sie die gesplissten Enden ihrer Haare schneiden lassen. Ausnahmsweise bereitete ihr die Frisur keine Schwierigkeiten. Heath trug eines seiner teuren Polohemden, diesmal in Moosgrün, dazu eine steinfarbene Baumwollhose und schicke Halbschuhe.
Nachdem er das Gepäck im Wagen verstaut hatte, warf er ihr den Schlüssel zu. »Fahren Sie.«
Annabelle unterdrückte ein Lächeln und setzte sich ans Steuer. »Mit jedem Tag erkenne ich klarer, warum Sie eine Ehefrau brauchen.«
Wortlos legte er seinen Laptop nach hinten und sank auf den Beifahrersitz. Annabelle studierte die Wegbeschreibung, die Molly notiert hatte, und fuhr auf einen kurvenreichen zweispurigen Highway. Wie mochte Heath den 4. Juli verbracht haben? Seit Mittwoch hatte sie ihn nicht mehr gesehen. An jenem Abend hatte er die De-Paul-Harfenistin im Sienna‘s getroffen und intelligent und attraktiv gefunden, aber zu ernsthaft. Nach dem Date hatte er wieder einmal versucht, Annabelle Informationen über Gwen zu entlocken. Was das betraf, würde sie ihm eines Tages - schon sehr bald - die Wahrheit gestehen müssen. Kein besonders angenehmer Gedanke.
Während er telefonierte, konzentrierte sie sich auf das Vergnügen, ein Auto zu fahren, das nicht Sherman hieß. Mollys Beschreibung dieser schönen Landschaft war keineswegs übertrieben gewesen. Zu beiden Seiten der Straße erstreckten sich Wälder - Kiefern, Eichen und Ahorn. Letztes Jahr hatte Annabelle ihre Absicht, an der Buchclubklausur teilzunehmen, notgedrungen aufgegeben, denn Kate war unangemeldet in Chicago aufgetaucht. Doch sie hatte all die enthusiastischen Berichte gehört - über ausgedehnte Wanderungen, erfrischende Bäder im See, die Buchbesprechungen im neuen Pavillon, den Molly und Kevin nahe ihrem privaten Wohnbereich errichtet hatten. Das alles klang nach erholsamer Entspannung.
Aber jetzt fühlte sie sich keineswegs entspannt. Zu viel stand auf dem Spiel, und sie musste einen klaren Kopf behalten.
Bevor Heath das Handy wegsteckte, erledigte er noch ein zweites Telefonat. Dann begann er, ihre Fahrweise zu kritisieren. »Sie haben genug Platz, um diesen Laster zu überholen.«
»Wenn ich die gelbe Doppellinie ignoriere...«
»Wenn Sie ein bisschen drüber fahren, ist es völlig in Ordnung.«
»Okay. Warum soll ich mich um alberne Bagatellen wie einen Frontalzusammenstoß sorgen?«
»Hier haben wir ein Tempolimit von fünfundfünfzig, und Sie fahren nicht einmal sechzig.«
»Zwingen Sie mich nicht, auf die Bremse zu steigen, junger Mann.«
Da lachte er und ließ sie für ein paar Minuten in Ruhe. Aber bald seufzte er wieder, klopfte mit der Fußspitze auf den Boden und fummelte am Radio herum.
Annabelle warf ihm einen finsteren Blick zu. »Ohne Ihre Arbeit werden Sie es niemals drei Tage lang aushalten.«
»Doch.«
»Nicht ohne Ihr Handy.«
»Auf keinen Fall. Also werden Sie unsere Wette gewinnen.«
»Genau genommen haben
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