Küss mich, wenn Du kannst
Wohnzimmer standen zwei maskuline Couches mit tiefer Polsterung, ein großer lederner Clubsessel begrenzte den antiken Orientteppich voller Teeflecken. Zum wuchtigen Esstisch aus Teakholz im Speisezimmer mit den üppig gepolsterten Stühlen passte ein ähnlicher Teppich. Dass Männer sich hier wohl fühlten, war sehr wichtig. Deshalb verzichtete sie auf Schnickschnack und sorgte für einen gut gefüllten Barschrank.
Nur in ihrem Schlafzimmer gestattete sie sich ein exzessives feminines Dekor. Elfenbeinweißer und ecrufarbener Satin, spitzenbesetzte Kissen und mit Rüschen verzierte Bezüge schmückten das Bett. Auf zierlichen Kommoden standen klobige silberne Kandelaber. Ein kleiner Kristalllüster hing in einer Ecke über einem puderrosa Ledersessel. Daneben stapelten sich Modezeitschriften auf einem Tischchen, mehrere literarische Romane, und darauf lag ein Buch, das Frauen helfen sollte, ihr inneres Glück zu finden.
Vielleicht war Bodie betrunken, und er kam nur deshalb zu ihr. Andererseits, wer wusste schon, was einen solchen Mann motivierte? Sie zog ein Sommerkleid mit U-Ausschnitt und altmodischem Rosenmuster an und schlüpfte in rosa Riemchen-Stilettos, die von winzigen ledernen Schmetterlingen verziert wurden. Wenig später läutete es, und sie zwang sich, ganz langsam zur Tür zu gehen.
Er trug ein langärmeliges gelblich graues Seidenhemd und eine passende Hose aus diesen teuren Mikrofasern, die sich bei jeder Bewegung an seine Beine schmiegten. Von den Schultern abwärts sah er muskulös aber respektabel aus, sogar elegant. Aber oberhalb der Schultern entschwand alle Ehrbarkeit. Mit dem sehnigen tätowierten Hals, den Eispickelaugen und dem ominösen kahl rasierten Schädel erschien er ihr noch gefährlicher als in ihrer Erinnerung.
Schweigend schaute er sich im Wohnzimmer um. Dann schlenderte er zur Glastür, die zum kleinen Balkon hinausführte. Jeden Sommer gelobte sie sich, da draußen ein Gärtchen in Blumenkästen anzulegen. Doch die Gartenarbeit erforderte eine Geduld, die ihr fehlte. Und so hatte sie sich nie dazu durchgerungen.
Als Bodie hinaustrat, wehte eine feuchte Wolke in den klimatisierten Raum. Portia dachte kurz nach, bevor sie zum Kühlschrank neben der Bar ging. Ihr Sortiment ausländischer Biere würde er sicher vorziehen. Trotzdem entschied sie sich für eine Flasche Champagner und zwei fragile tulpenförmige Gläser und trug alles zur Glastür. Ehe sie Bodie ins Freie folgte, schaltete sie die Außenbeleuchtung ein.
Die Luft war schwül. Über dem Dach des gegenüberliegenden Apartmentgebäudes wirbelten dunkle Wolken, hoch oben am Himmel. Portia stellte die Flasche und die Kelche auf eine breite, von urnenförmigen Pfeilern gestützte Betonplatte.
Bisher hatte er kein Wort gesagt. Zehn Etagen tiefer fuhr ein Auto aus einer Parklücke und bog um die Ecke. Ein paar Nachzügler eilten zum Seeufer. Dort würden sie das Feuerwerk bewundern, das jeden Moment beginnen musste. Bodie entkorkte die Flasche und füllte die zierlichen Gläser. In seinen großen Händen sahen sie nicht halb so lächerlich aus, wie sie gehofft hatte. Die Stille zog sich in die Länge, und Portia wünschte, sie hätte bei seiner Ankunft irgendetwas gesagt. Denn jetzt entstand der Eindruck, ein Wettbewerb fände statt. Wer konnte am längsten schweigen?
Eine Hupe schrillte. In Portias Schultern verkrampften sich alle Muskeln. Sie stellte einen Fuß auf die Leiste unterhalb der Balustrade. An ihrem nackten Knöchel rieb sich einer der birnenförmigen Pfeiler. Bodie stellte seinen Champagnerkelch ab und wandte sich zu ihr. Obwohl sie sich verbot aufzublicken, konnte sie nicht anders.
Hinter seinem Kopf schwebte eine schwarze Wolke wie die Gloriole eines Dämons. Er würde sie küssen, das fühlte sie. Doch er tat es nicht, sondern nahm ihr das tulpenförmige Glas aus der Hand und stellte es neben seines, dann strich er mit seinem Daumen über ihren Mund - so fest, dass er den Lippenstift auf ihre Wange schmierte. In ihrem Nacken sträubten sich winzige Härchen. Sie wollte sich bewegen. Aber es gelang ihr nicht. Stattdessen ging Bodie zur offenen Glastür und griff nach dem Schalter, knipste das Licht aus und tauchte den Balkon in tiefes Dunkel.
Panik stieg in ihr auf. Wie rasend begann ihr Herz zu schlagen. Sie kehrte ihm den Rücken, umklammerte das Geländer und spürte, wie er hinter sie trat. Als er ihre Hüften berührte, zitterte sie. Durch die dünne geblümte Seide ihres Kleids, unter dem sie nur
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