Küss niemals deinen Ex (Top Deal) (German Edition)
haben.
Auf den Rat meines Tarot-Decks zu verzichten fiel mir nicht leicht. Seit Jahren waren die Karten meine treuen Begleiter. Ohne sie auskommen zu müssen, fühlte sich an, als hätte mir jemand die Krücken gestohlen, die ich brauchte, um laufen zu können.
Und genau das sind sie, Krücken , schoss es mir durch den Kopf. Höchste Zeit, ohne ihre Hilfe mit dem Leben zurechtzukommen.
„Gute Idee“, sagte ich und konzentrierte mich wieder auf Vanessa.
„Ja, findest du? Und du sagst das nicht nur, weil du meine Freundin bist?“
„Ich würde dir keinen Gefallen tun, wenn ich lügen würde“, erwiderte ich und tauchte mein Stück Weißbrot in die fetttriefende Aioli. „Wenn jemand weiß, was diese Klientel sucht, dann du.“
„Genau. Jetzt muss ich nur noch meine Eltern von der Idee überzeugen.“ Für einen Augenblick wurde ihr Lächeln von einem zweifelnden Gesichtsausdruck verdrängt. Vanessas Eltern hatten sich ihren Wohlstand hart erarbeitet. Ihrem Vater gehörte eine der wenigen Textilfabriken, die in Deutschland produzierten und ihre Mutter fertigte Handtaschen an. Jedes ihrer Stücke war ein heiß begehrtes Unikat, das ein Vermögen kostete.
Bisher konnte Vanessa mit keinen Erfolgen aufwarten. Ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre hatte sie ebenso abgebrochen wie ihr Jurastudium. Seitdem hatte sie sich eine Auszeit genommen, um herauszufinden, was sie wirklich tun wollte. Ihre Eltern betrachteten all das mit Skepsis und jeder Menge Kritik.
„Aber jetzt zu dir“, nahm Vanessa das ursprüngliche Gesprächsthema wieder auf. „Du hast mir noch immer nicht erzählt, was du in den Karten gesehen hast.“
„Nichts“, murmelte ich und drehte den Stil des Weinglases zwischen meinen Fingern. „Ich habe sie nicht gelegt.“
„Nicht?“ Meine Freundin sah mich erstaunt an. Sie wusste nichts von meiner freiwilligen Abstinenz. Niemand wusste davon. Es war mir peinlich , zugeben zu müssen, dass ich es übertrieben hatte und seitdem nichts mehr in den Karten sah.
„Ich habe nicht genug inneren Abstand, wenn ich auf Lex die Karten lege“, murmelte ich.
„Also liebst du ihn noch.“
„Nein!“
„Wenn du keine Gefühle mehr für ihn hättest, könntest du ohne Probleme den Tarot befragen.“
„Meine Gefühle sind Wut und Ärger.“
„Wenn du es sagst.“
„Wärest du nicht wütend, wenn dein Ex-Freund dafür sorgt, dass du mehrere Nächte in einem Gefängnis verbringst?“
„So einfach ist das nicht. Wenn ich euch sehe, spüre ich die Chemie zwischen euch. Du bist ihm nicht egal, und genauso wenig kann du verbergen, dass du ihn noch immer liebst.“ Vanessa sah meinen wütenden Blick und grinste. „Okay, seit dem Gefängnis liebst du ihn nicht mehr. Aber das sagt nichts über seine Gefühle für dich aus.“
„Toll.“
„Eines ist doch klar, was auch immer der Grund ist, aus dem er hier ist, er wollte nicht, dass du seine richtige Adresse weitergibst. Ich glaube, das war Selbstschutz und hatte nichts damit zu tun, was zwischen euch beiden in der Luft liegt.“
„ Lex weiß, wie sehr ich enge Räume hasse. Mich hinter Gitter zu bringen war gleichbedeutend mit der Aussage: ‚Du bist mir egal.‘“
„ Wenn du meinst.“
„Außerdem klärt das noch immer nicht die Frage, ob er im Auftrag der Guten oder der Bösen unterwegs ist“, lenkte ich unser Gespräch in eine andere Richtung.
„Was sagt dein Gefühl?“
„Nichts.“ Ich begann, an einem Stück Brot zu zupfen.
„Vielleicht solltest du es doch mit den Karten versuchen ?“
„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. „Das hat keinen Sinn.“
„Okkkkkk.“
Ich seufzte. „ Lex ist nicht mein einziges Problem. Was sage ich meiner Schwester? Ich hatte zehn E-Mails und etliche SMS Nachrichten von ihr auf meinem Handy. Sie wirft mir vor, ich wolle auf Ibiza nur meinen Urlaub verlängern.“
„Hast du ihr geantwortet?“
„Ja. Ich habe ihr die Adresse von Thorsten Hermes gesandt. Zusammen mit der Nachricht, dass er ebenfalls unter dem Namen Lex Jeschke agiert. Jetzt will sie ein Foto von ihm.“
„Das wird interessant.“
„Ich kann es kaum erwarten, Lex erneut hinterherzuspionieren“, murmelte ich. „Aber dieses Mal lasse ich mich nicht erwischen.“
„Seltsam. Ich hätte erwartet, er wäre längst abgereist.“ Vanessa verstaute ihr Handy in der Tasche und sah mich an. Sie hatte für mich beim Spikes angerufen und nach Thorsten Hermes verlangt. Angeblich war er außer Haus, wohnte aber noch in dem
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