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Küsse auf Eis - True Love and other Disasters

Titel: Küsse auf Eis - True Love and other Disasters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Gibson
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verloren.
    Irgendwann in den letzten fünf Jahren hatte sie sich selbst verloren. Oder wenigstens ihre Identität. Sie war ein anderer Mensch geworden, aber wenn sie kein Teil der feinen Seattler Gesellschaft mehr war, wohin gehörte sie dann? Sie war eine ehemalige Stripperin und Ex-Playmate. Auf ihre Mutter war kein Verlass, und ihren Vater hatte sie seit 1988 nicht mehr gesehen. In den letzten fünf Jahren hatte sie die Rolle der Ehefrau eines reichen Mannes gespielt, doch wer war sie jetzt, wo er tot war?
    Während ihr Geschirr abgeräumt wurde, informierte die Kellnerin sie über das Dessertangebot. Am liebsten hätte Faith auf den Nachtisch verzichtet, um aus dem Restaurant rennen zu können und der unangenehmen Situation zu entfliehen.
Doch wie damals, als sie zum ersten Mal nach einer Stripperstange gegriffen hatte, zwang sie sich, es auszuhalten. Es hinter sich zu bringen, bis zum nächsten Mal, wenn es leichter wäre.
    Sie bestellte sich eine Crème brûlée und vorsichtshalber noch ein Glas Wein. Was wahrscheinlich keine so tolle Idee war, da sie in Kürze ein Meeting hatte, aber sie hatte einen furchtbaren Tag gehabt.
    Sie war von der Wohltätigkeitsorganisation auf die Straße gesetzt worden, in der sie seit fünf Jahren Mitglied war. Das allein reichte schon, um zwei Gläser Wein zu rechtfertigen. Und wenn man ihre plötzliche Identitätskrise noch dazutat, verdiente sie die ganze verdammte Flasche.
    In Minutenschnelle kam das Dessert, dessen harte zuckerige Oberfläche sie mit einem Löffel durchbrach. Als Kind hatte sie immer von Crème brûlée geträumt. Für ein Kind aus ärmlichen Verhältnissen, das im Nordosten von Reno aufgewachsen war, hatte es nach Reichtum geklungen. Luxuriös.
    Sie aß einen Happen, und der reichhaltige Vanillepudding fühlte sich auf ihrer Zunge weich an. Sie dachte an ihr Meeting mit der Marketing- und der PR-Abteilung. Sie hatten gesagt, sie hätten ein aufregendes Konzept entwickelt, um die Ticketverkäufe anzukurbeln. Sie war gespannt, was sie ausgeheckt hatten.
     
    »Savage«, rief Coach Nystrom ihm von der Tür der Spielerkabine zu. »Oben im Konferenzraum wird dein Typ verlangt.«
    Ty zog sich sein Trainingssweatshirt über den Kopf. »Was gibt’s?«
    »Keine Ahnung.« Der Coach warf einen Blick auf sein Klemmbrett. »Alle anderen aufs Eis.«

    Ty schlüpfte in ein Paar Nike-Flipflops, verließ die Kabine und durchquerte die Lounge. Während er über den Flur zum Fahrstuhl lief, klatschten die Gummisohlen an seine Fersen. Er wollte doch schwer hoffen, dass es was Wichtiges war. Schließlich musste er am nächsten Morgen in ein Flugzeug steigen und für Spiel fünf nach Vancouver fliegen. Die Chinooks lagen in der Serie zwar 3:1 vorn, doch das konnte sich schnell ändern, und er brauchte das Training auf dem Eis mit seinen Mannschaftskameraden.
    Noch bevor er auf den Fahrstuhlknopf drücken konnte, um nach oben zu gelangen, glitten die Türen auf, und vor ihm stand die Witwe Duffy. Ihre Augen waren hinter einer Sonnenbrille versteckt, die vollen Lippen rot geschminkt. Ty legte die Hand an die Tür, um sie für sie offen zu halten. »Hallo, Mrs Duffy.«
    »Hallo.« Sie hatte sich einen Regenmantel über den Arm geworfen und trug ein hässliches beigefarbenes Twinset mit einer Perlenkette, als wäre sie eine feine Dame über fünfzig auf dem Weg zu einem Meeting mit dem Motto »Rettet die Hungers sterbenden Waisen«. Trotz ihrer spießigen Klamotten war sie verdammt heiß und übertrieben sexy.
    Sie rührte sich nicht und sah ihn durch die beigefarbenen Brillengläser an, sodass er sich zu der Frage gezwungen sah: »Wollen Sie hier raus?«
    »Eigentlich bin ich auf dem Weg nach oben.« Sie schob die Brille in ihr windzerzaustes Haar. »Ich bin mit den Gedanken woanders und hab aus Versehen den falschen Knopf gedrückt.«
    Also trat Ty ein, und die Tür schloss sich hinter ihm. Er drückte den Knopf für die zweite Etage, und der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. »Haben Sie Ihr Mittagessen in flüssiger Form zu sich genommen?«

    Sie musterte ihn verstohlen und presste die Lippen zusammen. »Keine Ahnung, was Sie meinen«, sagte sie und machte einen Schmollmund.
    Er lehnte sich mit der Schulter an die verspiegelte Wand und klärte sie auf. »Ich meine, dass Sie eine Fahne haben.«
    Ihre großen grünen Augen weiteten sich vor Entsetzen, und sie öffnete ihre Handtasche und durchwühlte sie hektisch. »Ich hatte einen harten Tag.« Sie zog einen Kaugummi heraus.

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