Küsse auf Eis - True Love and other Disasters
hatten sie versucht , auf seiner Harley eine Nummer zu schieben. So richtig geklappt hatte es nicht.
»Ich versteh dich nicht«, klagte Valerie.
»Ich weiß. Ich versteh dich auch nicht. Ich kapiere nicht, wie du mit Männern ständig dieselben Fehler machen kannst. Ich hab schon mit fünfzehn aufgehört, die Männer zu zählen, die in unserem Leben kamen und gingen.«
»Ich weiß, ich hab Fehler gemacht.« Valerie seufzte, als wären ihre Fehler Bagatellen. »Welche Mutter hat nicht ein paar Fehler gemacht?«
Ein paar? Valerie war sieben Mal verheiratet gewesen und mindestens ein Dutzend Mal verlobt.
Faith griff in die Hutschachtel und musste unter Pebbles’ langem Fell nach ihrer rollenförmigen Schmuckreisetasche graben. Die Töle knurrte und fletschte ihre winzigen weißen Zähne. »Wenn du mich beißt, kicke ich dich vom Balkon«, warnte sie das kleine Ungeheuer.
»Hör nicht auf sie, Pebs«, flötete Valerie, während sie hinüberlangte und den Köter am Kopf kraulte. »Sie ist bloß eifersüchtig.«
»Auf einen Hund?«
»Nicht du. Sie. Man nennt das Geschwisterrivalität. Sie sieht dich als eine Schwester, mit der sie um meine Aufmerksamkeit konkurrieren muss. Ich hab mal was in einem Buch darüber gelesen.«
Da Valerie keine Bücher las, argwöhnte Faith, dass die These ein Produkt ihrer Fantasie war. Sie bekam ihre Schmucktasche zu fassen und zerrte sie unter dem Vierbeiner hervor.
»Ich glaub nicht, dass es Pebbles gefällt, wenn du Mama eine Strafpredigt hältst.«
Mama . Faith bekam fast einen Würgereiz. »Ich halte dir keine Strafpredigt. Ich finde nur, du musst dich selbst mehr respektieren.«
»Ich respektiere mich selbst.« Ihre Mutter band sich trotzig den Gürtel ihres Morgenmantels zu und strich die Seide über ihren Beinen glatt. »Du bist hier nicht der Moralwächter, Faith. Du hast einen alten Mann wegen seines Geldes geheiratet. Da kannst du mir schwerlich Moralpredigten halten.«
Zu Beginn ihrer Ehe hatte das sicher zugetroffen. »Du bist dir deiner selbst nur sicher, wenn du einen Mann an deiner Seite hast.« Sie entrollte die Seidentasche und schüttete ihre Diamanten in ihre flache Hand. »Ich finde meine Sicherheit bei Geld. Keine von uns kann Anspruch auf die moralische Überlegenheit erheben.«
»Geld ist ein schlechter Liebesersatz.«
»Bei Virgil hatte ich beides.«
Ihre Mutter seufzte und verdrehte die Augen.
»Es war eine gute Ehe.«
»Es war eine leidenschaftslose, geschlechtslose Ehe mit einem Mann, der so alt war, dass er dein Großvater hätte sein können.«
Faith lief in den großen begehbaren Wandschrank, der mit Kleidern in den unterschiedlichsten Beige-, Weiß- und Schwarztönen vollgestopft war. »Du wirst meine Beziehung zu Virgil niemals verstehen. Er hat mir ein wunderschönes Leben ermöglicht«, protestierte sie, während sie den Geheimcode eintippte und den Safe öffnete.
»Er hat dir Geld für fünf Jahre deines Lebens bezahlt. Fünf Jahre deiner Jugend, die dir keiner zurückgeben kann«, rief Valerie ihr nach, und Faith verkniff es sich, sie daran zu erinnern, dass Virgil ihr ebenfalls Geld gegeben hatte. So viel, dass sie nicht mehr zu arbeiten brauchte. »Ohne Leidenschaft kann man kein wunderschönes Leben haben«, fügte ihre Mutter hinzu.
Faith schwang die Tresortür auf und zog ein mit blauem Samt ausgelegtes Kästchen voller Tiffany- und Cartier-Ohrringe heraus. Von Leidenschaft konnte man seinen Kindern keine Schuhe kaufen, wenn die Sohlen abgelaufen waren, oder ihre hungrigen Mäuler stopfen. Sie hielt den Schuldeneintreiber nicht davon ab, das Auto deiner Mutter an sein Abschleppfahrzeug zu hängen und es vor deinem Fertighaus abzutransportieren, während die anderen Kinder vom Wohnwagenplatz mit Fingern darauf zeigten und lachten, weil sie immerhin noch besser dran waren als du.
Faith betrachtete zufrieden die funkelnden Steine in allen Formen und Farben. Leidenschaft nahm einem nicht das ungute Gefühl im Bauch, wenn man nur noch einen Lohnscheck davon entfernt war, beim Hard Rock Hotel in einer engen Gasse hinter einem Müllcontainer zu schlafen.
»Die halten dich nachts nicht warm.«
Sie sah ihre Mutter an, die ein paar Meter von ihr entfernt stand, und betrachtete die tiefen Falten um ihre grünen Augen und ihre Farrah-Frisur, die von den Händen eines Mannes verwuschelt war. Faith schlief unter einer Decke, die mit den Daunen ungarischer Weißgänse gefüllt war, um sich nachts warm zu halten. Dazu brauchte sie keinen
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