Küsse auf Eis - True Love and other Disasters
sich an jedes Detail der vergangenen Nacht. Sein Gesicht im dunklen Wintergarten und die Zärtlichkeit seiner Hände und seines Mundes. Am liebsten hätte sie Layla die Schuld an letzter Nacht in die Schuhe geschoben, aber das ging nicht. Nicht, wenn sie ehrlich zu sich war. Letzte Nacht war sie ganz sie selbst gewesen. Kein absichtliches Aufgeilen. Keine Hintergedanken. Kein bewusstes Heißmachen, weil sie nur auf die Kohle eines Mannes scharf war. Sie konnte Layla nicht die Schuld an ihrem Verhalten geben. Nicht, wenn Faith die absolute Kontrolle gehabt hatte.
Sie wandte sich ab und lief zu den Fahrstühlen. Letzte Nacht war es darum gegangen, dem nachzugeben, was sie wollte. Im Restaurant zu sitzen und sich unter dem Tisch von Ty berühren zu lassen. Ihre Hand auf seine zu legen und noch einen Schritt weiter zu gehen. Das hatte sie getan. Nicht Layla. Nicht die ungehemmte, schamlose Person, die sie geschaffen hatte, um sich hinter ihr zu verstecken. Gestern Nacht war es darum gegangen, dass Faith sich gehen ließ und von ganz allein schamlos war.
Auf der Heimfahrt dachte sie über ihr Leben nach Virgils Tod nach. Noch vor Kurzem hatte sie ein sorgloses, angenehmes Leben geführt. Ein Leben, in dem die größte Entscheidung, die ihr abverlangt wurde, meist darin bestand, was sie anziehen sollte. Diese Person, diese Faith, hätte sich nicht derart gehen lassen und die große, warme Hand eines Mannes zwischen ihre Beine gelegt.
Sie steuerte ihren Bentley ins Parkhaus und fuhr mit dem Fahrstuhl ins oberste Stockwerk. Ihr Leben hatte sich in so kurzer Zeit dramatisch verändert. Sein langsames, gemütliches Tempo war zu einem Wirbelsturm aus Meetings und geschäftiger Aktivität geworden. Ihre jetzigen Entscheidungen reichten von Fragen über angemessene Kleidung bis zur Gehaltshöhe eines in der ersten Talentziehungsrunde ausgewählten Spielers für die nächste Saison. Und obwohl sie bei Letzterem so viel Unterstützung hatte, war es eine so große Verantwortung, dass sie wahrscheinlich unter dem Druck zusammengebrochen wäre, wenn ihr je erlaubt gewesen wäre, einmal innezuhalten und so lange zur Ruhe zu kommen, um darüber nachdenken zu können.
Als sie die Tür zum Penthouse öffnete, begrüßten sie nichts als Pebbles’ Kläffen und das Licht in der Küche. Kein »Sexual
Healing« aus der Stereoanlage, kein Kichern aus dem Zimmer ihrer Mutter.
Faith durchquerte die Küche und lief über den Flur zum Schlafzimmer. Sie zog sich ihre Jacke aus und warf sie über einen Stuhl. Sie erinnerte sich nicht, wann Virgil das letzte Mal im Penthouse gewesen war, aber es war so lange her, dass nirgends mehr eine Spur von ihm war. Weder Kleidung noch Krawatten. Weder Schuhe noch Kämme. Auch seine Zahnbürste stand nicht in dem mit Marmor gefliesten Bad.
Das Einzige, das ihm gehörte, war sein David Copperfield , den Faith an dem Tag, als sie ging, aus dem großen Haus hatte mitgehen lassen. Sie setzte sich aufs Bett und knipste eine Lampe an. Pebbles hopste neben sie, während sie das Buch vom Nachttisch nahm und zärtlich über den dunkelbraunen Einband strich. Sie hielt sich das Buch an die Nase und roch daran. Virgil hatte immer nach teurem Eau de Cologne geduftet, doch davon war nichts zurückgeblieben.
Pebbles drehte sich drei Mal im Kreis und streckte sich dicht neben ihr aus. Faith kraulte das dichte Fell des Hundes, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. Virgil fehlte ihr. Sie vermisste seine Freundschaft und seine Lebenserfahrung, aber wenn sie die Augen schloss, sah sie nicht ihren verstorbenen Ehemann. Sondern einen anderen. Einen Mann, der zum Lächeln in den Keller ging, dafür aber mit dem Mund andere wunderbare Dinge anstellte. Einen schönen, starken Mann, in dessen Armen sie sich sicher gefühlt hatte, während er sie gegen die Glasscheibe des Wintergartens gedrückt und geliebt hatte. Einen Mann, der sie quer durch den Raum ansah und ihr zugleich ein flaues und ein kribbeliges Gefühl gab. Einen Mann, der in ihr das Bedürfnis weckte, zu ihm zu gehen und ihren Kopf auf seine nackte Brust zu legen.
Faith schlug die Augen wieder auf und wischte sich eine Träne weg. Sie hatte vor Kurzem erst ihren Mann beerdigt und konnte nicht aufhören, an einen anderen zu denken. Was sagte das über sie aus? Dass sie ein furchtbarer Mensch war? So furchtbar und unmoralisch, wie Landon es ihr immer vorgeworfen hatte?
In einem Buch über Trauerarbeit, das sie gelesen hatte, stand, dass man ein ganzes Jahr
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