Küsse im Mondschein
grundsätzlich ungehörig gewesen wären. Sie wollte zum Beispiel einmal eine Mondscheinfahrt durch den Richmond Park unternehmen sowie eine nächtliche Bootstour auf der Themse. Außerdem wünschte sie sich einen Besuch in Vauxhall, und zwar in Gesellschaft von Menschen, die jenseits der besseren Gesellschaft lebten. Und sie wollte einmal an einem der Maskenbälle in Covent Garden teilnehmen.«
Eine Woge von dumpfem Knurren durchflutete den Salon.
»Und Ihr wart dann ganz offensichtlich so liebenswürdig, Euch dazu bereit zu erklären, genau diese Ausflüge mit ihr zu unternehmen?«
»Nein.« Martin spürte, wie seine Gesichtszüge starr wurden. »Doch andererseits hatte ich ja kaum eine andere Wahl. Denn entweder hätte ich mich ihren Plänen gefügt, oder aber ich hätte mit ansehen müssen, wie sie sich irgendjemand anderen geschnappt hätte, der ihren Wünschen dann garantiert mit weniger Skrupeln nachgekommen wäre. Für die Fahrt nach Richmond hatte sie - neben anderen, natürlich - zum Beispiel Lord Cranbourne ins Auge gefasst.«
»Cranbourne! Diese Nacktschnecke?« Demon schaute so finster drein, dass seine Augen fast schon schwarz erschienen.
»Ja, und dann gab es da natürlich noch einige weitere Herren, die sie ebenfalls in der Gloucester Street kennen gelernt hatte. Sie hatte wahrlich die Auswahl. Darum schien es mir im Endeffekt klüger, ihre Wünsche ernst zu nehmen und nicht bloß als Träumerei abzutun.«
»Und während dieser Ausflüge dann...«
»Nein.« Martin bohrte seinen Blick in den von Devil. »Ich hatte sie nur unter der Bedingung mit auf diese Ausflüge genommen, dass sie danach wieder in die Ballsäle zurückkehrte - wo sie schließlich hingehört. Nur, wie sich schließlich herausstellte, waren die Ausflüge gar nicht ihr eigentliches Ziel gewesen. Denn sobald wir alle diese Touren absolviert hatten, hat sie die Regeln ihres Spiels einfach wieder neu definiert. Das heißt, sie ist abermals in der Gloucester Street erschienen... und hat auch noch so ein paar andere Örtlichkeiten aufgesucht, die sogar noch weniger ihrem Stande entsprechen.« Weiterhin fest in Devils Gesicht blickend, fuhr er fort: »Und was danach passierte, geht wirklich nur noch allein auf ihre Initiative zurück. Falls es nicht ohnehin genau das war, was sie im Grunde schon von Anfang an im Sinn gehabt hatte.«
Es gab nicht einen unter den Anwesenden, der in diesem Moment nicht wenigstens ein klein wenig Mitgefühl mit Martin empfand. Schließlich hatte der soeben eingestanden, dass ihrer aller Cousine ihn nicht nur regelrecht gejagt, sondern auch noch erfolgreich erlegt hatte. In dem sicheren Gefühl, dass dies genau der richtige Augenblick für seinen Schlusssatz war, beendete Martin seine Geschichte: »Und unter diesen Umständen scheint mir eine Eheschließung die einzig angemessene Konsequenz. Also... habe ich hiermit Eure Erlaubnis, bei ihr um ihre Hand anzuhalten?«
Devil zwinkerte mit den Augen, runzelte nachdenklich die Stirn. »Vermögen, Geburt, Status und Besitz - an alledem gibt es bei Euch wahrlich nichts zu bemängeln. Aber was ist mit der Vergangenheit?«
Martin neigte den Kopf. »Auch die werde ich zu gegebener Zeit noch klären.«
»Habt Ihr denn wenigstens schon damit angefangen?«
»Nein.« Nach einem kleinen Augenblick fügte er hinzu: »Aber es gibt da eine gewisse andere Person, die genau das bereits zu ihrer ganz persönlichen Aufgabe gemacht hat.«
Devil schaute Martin mit durchdringendem, ja geradezu unheimlichem Blick fest in die Augen. Martin hingegen ertrug diese Musterung, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Schließlich nickte Devil. »Nun gut, ich gebe Eurem Wunsch nach. Denn eine Heirat zwischen Euch und Amanda wäre tatsächlich wünschenswert. Immer vorausgesetzt, natürlich, diese alte Geschichte lässt sich zu Euren Gunsten klären. Ihr habt also mein Einverständnis, um ihre Hand anzuhalten. Und auch mit meinem Onkel werde ich sprechen, das heißt, sobald dieser von seiner Reise zurückgekehrt ist.«
»Gut. Dann sorgt Ihr auch dafür, dass die Familie mir gegenüber eine einheitliche Position einnimmt?«
Devil zuckte mit den Schultern. »Ihr meint, soweit dies die offizielle Haltung vor den Augen der Gesellschaft betrifft? Aber selbstverständlich.«
»Ich meinte eher die Meinung, die Eure Familie gegenüber Amanda vertreten wird.«
Martins letzte Worte trafen auf Schweigen. Doch war dies nun kein zorniges Schweigen mehr, sondern eher von leicht ungemütlicher
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