Küsse im Mondschein
zu stellen.«
»Ah.« Nachdenklich stützte Amelia sich auf die Ellenbogen. »Aber was ist mit dem anderen Teil - ich meine, wie lauten die anderen Gründe, weshalb er so viel Zeit mit dir verbringt?«
Amanda verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Hab ich dir denn nicht schon gesagt, dass man aus ihm nie so richtig schlau wird, dass er nur sehr schwer zu durchschauen ist? Also, um ehrlich zu sein: Ich weiß nicht, welche anderen Gründe es noch für ihn gibt. Und ob er selbst das weiß, möchte ich, genau genommen, auch eher bezweifeln. Aber was auch immer der Anlass sein mag, in jedem Fall ist er viel zu...«, Amanda fuchtelte mit den Händen durch die Luft, »viel zu formlos, als dass ich das so genau definieren und für meine Zwecke einsetzen könnte. Aber mal ganz abgesehen davon, möchte ich auch gar nicht, dass er sich jetzt schon so viele Gedanken darüber macht, was genau ihn eigentlich zu mir hinzieht. Denn falls es da dieses gewisse Etwas zwischen uns geben sollte, dann muss diese Sache, bevor er sich genauer darüber klar wird, erst einmal Zeit haben zu wachsen.«
Amelia nickte. »Tja, und trotzdem brauchst du jetzt den nächsten Köder - den nächsten Anstoß, um ihn noch ein Stückchen weiter in die richtige Richtung zu locken.«
»Richtig. Nur was?« Wieder durchmaß Amanda mit raschen Schritten ihr Zimmer. Einige Minuten später wurde sie durch die Stimme ihrer Zwillingsschwester jäh aus ihren zermürbenden Gedanken gerissen.
»Amanda, ich glaube, du betrachtest diese ganze Angelegenheit aus dem falschen Blickwinkel.«
Amanda drehte sich um und blickte ihrer Schwester in die Augen.
»Du siehst ihn als Martin, als Individuum. Aber das ist sehr schwer, weil du ihn ja gar nicht richtig kennst. Auf der anderen Seite jedoch ist er noch immer ein Mann - ein Mann wie unsere Cousins. Nicht wahr?«
Amanda starrte ihre Schwester an, dann hellte ihre Miene sich schlagartig auf. Mit einem glücklichen Lächeln warf sie sich zu Amelia auf das Bett und umarmte sie dankbar. »Melly, du bist ein Genie!«
Vier Tage späte saß Martin wieder einmal auf seinem Rotschimmel unter dem Baum im Park und beobachtete Amanda Cynster, wie diese auf ihn zugeritten kam. Das Lächeln auf ihrem Gesicht war freundlich und sonnig - keine Spur von süffisantem Grinsen, nicht die leiseste Andeutung von Triumph in ihren Augen.
Nur mit Mühe unterdrückte er ein missmutiges Grunzen. Dennoch war es ihm schier unmöglich, den Blick von ihr abzuwenden. Hellgolden leuchteten ihre Locken vor dem frühmorgendlichen Himmel, biegsam und schlank erschien ihre Figur in dem samtenen Reitkostüm.
In seinem Inneren tobte ein heftiger Widerstreit der Emotionen, zermürbte ihn geradezu. Es war Jahre her, seit es einer Frau zuletzt gelungen war, ihn so für sich zu vereinnahmen. Martin hatte das Gefühl, dass das Schicksal ihn - wieder einmal - nicht allzu fair behandelte, und seine Verärgerung darüber war in seiner Miene zu erkennen. Er bemühte sich wirklich, das Richtige, das Ehrenhafte zu tun, wollte Amandas Vertrauen nicht enttäuschen, sondern ihr einfach nur jene Abenteuer schenken, die sie gemeinsam zu erleben vereinbart hatten. Aber danach wollte er die Beziehung, die sich langsam zwischen ihnen zu entwickeln begonnen hatte, endgültig abbrechen und wieder zurückgleiten in die Schatten; um wieder ein Leben im Verborgenen zu führen. Doch das Schicksal - und Amanda - schienen sich gegen ihn verschworen zu haben und foppten ihn in einem fort.
Nachdem Martin die notwendigen Vorbereitungen für ihren Abend in Covent Garden getroffen hatte, hatte er darauf gewartet, dass Amanda wieder nach ihrer Stute schicken würde. Und gewartet. Bis ihm schließlich irgendwann aufgegangen war, dass sie es offenbar vorzog, ihre Vormittage lieber wieder mit gemütlichem Ausschlafen zu verbringen.
Entweder war sie sich seiner außergewöhnlich sicher, oder er war ihr sogar ziemlich gleichgültig.
Das Problem an der Sache war nur, dass Martin sich einfach nicht sicher war, ob nun das eine zutraf oder das andere.
Sie hatte sich also auf eine neue Taktik verlegt. Und Martin wiederum hatte sich geschworen, sie durch rein gar nichts zu weiteren amourösen Avancen ermuntern zu wollen. Dennoch war er schließlich nicht mehr darum herumgekommen, ihr eine Nachricht zu schicken, in der er sie bat, sich mit ihm zu treffen. Und über diesen Umstand, dass nun plötzlich er es war, der ihr hinterherlief, und nicht mehr umgekehrt, war er wahrhaftig mehr als
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