Kuessen al dente - Roman
ihr Mund durch die Anspannung und das viele Reden trocken wie ein Mohairpullover geworden war, trank Georgia einen Schluck Wein. Durch die unvermittelte Stille aus seinen Tagträumen gerissen, wedelte Luca ärgerlich mit der Hand durch die Luft, entweder um eine nicht vorhandene Fliege zu verscheuchen, oder um sie zum Fortfahren zu animieren. Schnell nahm Georgia ihr Lieblingsthema, das Essen, wieder auf und schwärmte von den Wohlgerüchen, die den ganzen Tag über dezent durchs Restaurant wehen würden. Sie ließ den Duft von nussigem Olivenöl lebendig werden, von würzigen Kräutern, fangfrischen Austern, warmer Schokolade, pikantem Käse und raffiniertem Essig. Lucas Nase reckte sich langsam himmelwärts, gleichzeitig senkten sich seine Augenlider.
Bevor sie sich selbst in ihren Schwärmereien verlor, kam sie auf die Finanzen zu sprechen, legte ihm dar, wie viel Kapital sie benötigten, unterschied zwischen Investitions- und laufenden Kosten, lieferte ihm Zahlen den Umbau, die Ausstattung, die Miete, Betriebskosten, Löhne und Gehälter und dergleichen betreffend, erklärte ihm, warum ein fraglos kostspieliges System zur Raumklimaregulierung so wichtig sei, und rechtfertigte die Anschaffung diverser Geräte, um die Küchenausstattung zu komplettieren. Schließlich kam sie zu dem Punkt, bei dem Luca große Augen machte: Mit wie viel Profit er in einem, drei und fünf Jahren rechnen könne. Das alles gelang ihr mit weniger als zehn »Hmms« und »Ähhs«.
»Sie wollen mir anscheinend erzählen, dass Ihr Lokal kein Abschreibungsbetrieb wird, wie?« Endlich zeigte Luca ein kleines Lächeln.
»Mit Sicherheit nicht. Wir haben die Absicht, Geld zu verdienen, und wir wissen, dass wir das auch können.« Aus dem Augenwinkel heraus sah Georgia Lucas Sekretär aufgeregt winken.
Luca lächelte weiterhin, doch auf seiner Stirn erschien eine skeptische Falte. »Das sind große Worte von jemandem, der noch nie einen eigenen Betrieb geführt hat.« Er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Es gibt keine Garantien, weder im Geschäft noch im Leben. Das ist eine Lektion, die wir alle an einem gewissen Punkt lernen müssen. Nur den wirklichen Glückspilzen bleibt das erspart.«
»Ich glaube, die Lektion habe ich schon an beiden Fronten gelernt, Luca.«
»Weil man Sie ein- oder zweimal gefeuert hat? Oder jemand Ihnen ein paarmal das Herz gebrochen hat? Ich hoffe, Sie behalten Recht, Georgia, und Gott segne Sie, wenn dem so ist.« Er stand auf. »Ich fürchte, mein Sekretär kriegt einen Herzinfarkt, wenn ich dieses Gespräch nicht augenblicklich beende. Ich habe den Steuerberater schon …«, er warf einen Blick auf seine Piaget, »schon achtzehn Minuten warten lassen. Drei Minuten länger wäre äußerst unhöflich.«
Georgia dankte ihm, dass er sich so viel Zeit für sie genommen hatte, und reichte ihm zwei Ausfertigungen ihres Businessplans. Luca nickte kaum merklich, sein Sekretär kam an den Tisch, nahm ihm die Unterlagen ab und streifte Georgia nur mit einem flüchtigen Blick.
»Zu schade, dass Ihr Partner nicht aufgetaucht ist.« Luca schob die Unterlippe vor und sah sie an.
»Nun, ich bin sicher, dass …«
»Lassen Sie mich Ihnen noch eine Frage stellen: Wie nahe stehen Sie diesem Partner, der es nicht einrichten konnte, einen Geschäftstermin einzuhalten?«
Georgia schluckte. »Sehr nahe, wirklich«, erklärte sie. »Bis-dass-der-Tod-uns-scheidet-nahe.«
Luca blickte sie weiterhin unverwandt an und schwieg. »Das ist wirklich sehr bedauerlich«, sagte er dann. »Es ist sehr heikel, in ein Projekt zu investieren, wenn man nicht das ganze Managementteam kennt.«
»Ich bin sicher, wir können ein Kennenlernen arrangieren«, entgegnete Georgia.
Doch der Steuerberater visierte bereits mit ausgestreckter Hand ihren Tisch an, und sie hatte Lucas Aufmerksamkeit verloren.
Mit der nicht unberechtigten Frage, ob sie Bernard umbringen sollte, oder ob das schon ein anderer für sie übernommen hatte, verließ Georgia den Tuscan Oven.
Fiepend schlitterte ihr Handy über die marmorne Tischplatte und landete scheppernd auf dem Fliesenboden. Georgia hob es auf und starrte wütend auf die Nummer des Anrufers im Display.
»Du kannst mich mal«, fauchte sie leise, klappte aber trotzdem das Handy auf. »Wo zum Teufel bist du? Ich wiederhole: Wo zum Teufel bist du gewesen ?«
Zwei Tische weiter hoben zwei blau getönte ältere Ladys ihre bleistiftdünnen Augenbrauen und blickten sich indigniert an. »Was für
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