Kuessen gut, alles gut
unschuldiger, als sie mit ihren vollen roten Lippen und dem Bustier mit Leopardenmuster in der Nacht zuvor gewirkt hatte. Ganz zu schweigen von den knappen Ledershorts. Himmel, ihr Po hatte fantastisch ausgesehen, und … Er gebot seinen abschweifenden Gedanken Einhalt. Er wollte nicht an ihren süßen kleinen Hintern in den knappen Shorts denken. Auch nicht an ihre roten Lippen und was sie damit mit ihm anstellen konnte. So weit wäre nicht einmal der alte Beau gegangen. Der alte Beau, der in fremden Betten mit namenlosen Frauen aufwachte. Selbst jener Beau hatte ein paar Grundsätze gehabt. Wenn auch nur sehr wenige, aber eine unumstößliche Regel lautete, nie mit einer Klientin zu schlafen. Eine weitere besagte, es nie mit der Schwester beziehungsweise einer Angehörigen eines Kumpels zu treiben. Das hatte er auf die harte Tour gelernt, und Stella Leon war beides. Eine Kundin und Vince’ zukünftige Schwägerin. Und zu jung war sie auch.
Er warf einen Blick auf das Navi auf dem Armaturenbrett. Er war nun seit acht Monaten enthaltsam. Es war ganze acht Monate her, seit er in einer Bar in Chicago eine Kellnerin abgeschleppt hatte. Acht Monate, seit er in einen Hotelspiegel geschaut und darin seinen Vater gesehen hatte.
Einen Großteil seines Lebens hatte er unter Beweis zu stellen versucht, dass er ganz anders war als Captain William T. Junger. Bei den Navy-SEAL-Teams war sein alter Herr eine Legende, ein unerschütterlicher Soldat, der sich seinen Ruf in Vietnam und Grenada und bei anderen geheimen Waffengängen verdient hatte. Er war ein Held. Ein Anführer. Den Teams und dem Vaterland treu ergeben. Wenn man Bücher über die Geschichte der Navy SEALs las, waren stets mehrere Absätze Captain Jungers Beitrag gewidmet, viele Worte seinem Mut und seiner Tapferkeit. Attribute wie zäh, tapfer, ehrenhaft wurden benutzt, um seinen Charakter zu beschreiben. Und sie trafen auch zu, aber worüber keiner schrieb, was niemand erwähnte, war, dass er zudem ein notorischer Frauenheld war.
Nach außen hin hatten die Jungers das Bild der perfekten Soldatenfamilie abgegeben. Ein attraktiver Captain der Navy SEALs, eine wunderschöne blonde Ehefrau und zwei gesunde Söhne. Blake und er hatten in allem geglänzt: in der Schule, beim Sport, bei den Pfadfindern. Beau erinnerte sich nicht, dass seinem Bruder oder ihm jemals gesagt worden wäre, dass sie stets die Besten sein mussten. Sie hatten es immer gewusst. In ihren Adern floss das Blut ihres Vaters, und sie mussten mit seinen hohen Erwartungen und seinem Ruf leben. In dem Wissen gingen sie jeden Abend zu Bett und erwachten jeden Morgen damit.
Lehrer, Trainer und alle möglichen Erwachsenen erwarteten von ihnen, dass sie schneller rannten, weiter schwammen, härter zuschlugen. Da sie von Natur aus ehrgeizig waren, gaben sie stets ihr Bestes. Sie trieben sich selbst und einander an, und wenn sie versagten, versuchten sie es wieder. Blake und er vergötterten ihren Vater. Er war eine lebende Legende, und ihre Liebe zu ihm war so groß wie ihre Angst vor ihm. Der Captain bestrafte sie nie körperlich. Das war gar nicht nötig. Ein Blick aus seinen grauen Augen traf sie bis ins Mark. Der Blick, den er perfektioniert hatte, um die Feinde seines Vaterlandes einzuschüchtern, ob sie nun Terroristen, Drogenbosse oder Schurken waren, setzte seine Söhne wahnsinnig unter Druck. Und wenn der Blick allein dem alten Herrn als Strafe nicht ausreichte, zwang er die Jungs, Liegestütze zu machen, bis ihre Muskeln zitterten und brannten.
Der ruhende Pol in ihrem harten, anstrengenden Leben war ihre Mutter, Naomi Junger. Der einzige Mensch, dessen Liebe nicht davon abhängig war, ob sie nun den ersten, zweiten oder dritten Platz belegten. Naomi war ein süßes Ding aus North Carolina, als sie William T. Junger kennenlernte und heiratete. Sie war wunderschön, lebhaft und hatte ein ansteckendes Lachen, und ihr liebenswerter Akzent und ihre Sanftheit hatten das Zuhause der Jungers mit bedingungsloser Liebe erfüllt. Solange sie nicht vergaßen, bitte und danke zu sagen und sich beim Essen die Serviette auf den Schoß zu legen, hatten die Zwillingsbrüder aus ihrem Munde nie ein kritisches Wort gehört. Sie war die perfekte Hausfrau. Kochte perfekte Mahlzeiten. Sah stets perfekt aus, selbst wenn ihr Mann im Einsatz oder bei einer Übung war.
Bis auf die Tage, an denen sie nicht aus dem Bett kam. Wenn sie schluchzte, als könnte sie nie wieder aufhören, und der Schmerz Besitz von ihrem
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