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Kuessen gut, alles gut

Kuessen gut, alles gut

Titel: Kuessen gut, alles gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Gibson
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einem Mann durch die Gegend fährst, den du nicht kennst.«
    »Ich hab’s dir doch gesagt. Er heißt Beau und ist ein Freund von Sadies Verlobtem. Wir schlafen in getrennten Zimmern, wenn wir übernachten.« Außer heute Abend. »Er ist in Ordnung, Mom.« In mehr als nur einer Beziehung.
    »Du kennst ihn doch gar nicht gut genug, um das beurteilen zu können! Erst seit fünf Tagen.«
    Es kam ihr länger vor. Vielleicht, weil sie so viel Zeit mit ihm verbracht hatte, aber es kam ihr vor, als würde sie ihn schon seit Wochen, Monaten, vielleicht sogar noch länger kennen. Wie lange brauchte man, um einen Mann so gut kennenzulernen, dass man wusste, wie er ging und sprach oder eisern schweigend dasaß? Um zu wissen, dass sein seltenes Lächeln seine Augenwinkel erreichte? Dass er aß, als hätte er zu wenig Zeit, um alles aufzufuttern? Um die Berührung seiner Hand zu kennen und zu wissen, wie sich seine Schultern unter ihren Händen anfühlten? Um zu wissen, dass seine Augen einen dunkleren Grauton annahmen, wenn er ihr auf den Mund sah? Dass ihr von der Berührung seines Mundes ganz flau im Magen wurde? »Er ist Marine Sergeant im Ruhestand, Mom. Er ist zuverlässig.« Wie lange, um zu wissen, dass man mehr von ihm spüren wollte?
    »Gib mir seine Telefonnummer, falls was passiert und ich dich nicht erreichen kann.«
    Klar. »Er ist im Moment nicht hier. Ich hab ihn den ganzen Tag nicht gesehen.« Dass sie seine Visitenkarte hatte und seine Nummer in ihrem Handy gespeichert war, verschwieg sie ihr wohlweislich.
    »Hat er dich in New Orleans sitzen lassen?«
    »Nein.« Er hatte sie weder in ihrer Wohnung noch am Flughafen von Miami sitzen lassen und sie weder bei seiner Mutter noch im Hard Rock Casino abgeladen. »Er hilft nur einem Freund. Er kommt bald zurück.« Sie sah auf die Uhr. Es war schon fast sieben. »Ich ruf dich an, wenn ich in Texas bin.«
    »Machst du dir Sorgen?«
    Ihre Mutter hatte ihre Fehler und machte Stella wahnsinnig, aber sie kannte sie auch sehr gut. »Wegen Sadie?«
    »Ja. Sie wird dich lieben, Estella.«
    Sie schluckte und sagte mit einem gezwungenen Lachen: »Na klar wird sie das. Mich kennen heißt mich lieben.«
    »Mach keine Witze. Ich glaube, dass das ein Zeichen ist.«
    Der Schmerz in Stellas Stirn weitete sich aus. »Was für ein Zeichen?«
    »Das bleibt abzuwarten. Heute ist Vatertag.«
    Heute war Vatertag? Beim Shoppen hatte sie in den Läden die Plakate gesehen, allerdings nicht genug darauf geachtet, um beides miteinander zu verbinden.
    »Vielleicht ist es ein Zeichen von Clive, dass er sich wünscht, seine Mädchen würden sich endlich kennenlernen.«
    Unwahrscheinlich. »Ich ruf dich an.«
    »Aber bald.«
    »Okay.« Vatertag war für sie ein Tag wie jeder andere. »Ich hab dich lieb, Mom.«
    » Te quiero , Estella.«
    Stella beendete das Gespräch und warf das Handy auf ihr Bett. Dann schnappte sie sich ihr Shampoo und ihre Haarspülung und lief über den kurzen Flur ins Bad. Heute war ein ganz normaler Sonntag. Wie alle anderen Vatertage in den achtundzwanzig Jahren ihres Lebens. Es bedeutete ihr nichts.
    Sie streifte ihre Klamotten ab und sprang unter die Dusche. Als ihr das warme Wasser über Kopf und Rücken rann, schloss sie die Augen. Als sie vom Tod ihres Vaters erfuhr, hatte sie kaum eine Reaktion gezeigt. Ein Mann, der sie nicht kennen wollte, verdiente keine Reaktion.
    Ihre Augen brannten hinter den geschlossenen Lidern, als ob sie gleich weinen müsste. Um einen Mann weinen, der um sie nie eine Träne vergossen hatte? Um einen Vater, der nie ihr Vater hatte sein wollen?
    Warum jetzt? Warum war sie auf einmal so rührselig und emotional? Warum heute, und nicht an dem Tag, als sie von seinem Tod erfuhr? Vielleicht, weil von Sadie zu hören alte Wunden bei ihr aufgerissen hatte. Die Wunden, die sie schon vor langer Zeit vernäht hatte, doch nach fünf Tagen, an denen unablässig in ihnen herumgestochert worden war, schmerzten die altvertrauten Überlegungen Was wäre gewesen, wenn …? und Hätte doch nur …! sie plötzlich wieder. Die kindischen Hoffnungen und vergessenen Träume. Hoffnungen und Träume von einer vagen, rosigen Zukunft, die sich niemals erfüllen würden. Und jetzt schon gar nicht mehr. Jetzt, wo ihr Vater tot war.
    Stella spritzte sich Shampoo in die flache Hand und schäumte sich die Haare ein. Zwei Monate. Er war nun zwei Monate tot, und sie hatte keine Träne vergossen. Sie trat wieder unter das warme Wasser und ließ es sich über den Kopf und

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