Küssen will gelernt sein: Roman (German Edition)
einem schmiedeeisernen Stuhl Platz, der ihrer Mutter gegenüber an einem dazupassenden Tisch stand. »Es ist gewöhnungsbedürftig.«
»Hast du dich auf der Party amüsiert?«, fragte Gwen.
»Ja«, antwortete sie wahrheitsgemäß. Sie hatte ein paar nette Leute kennen gelernt und trotz Nick Allegrezza Spaß gehabt.
»Ihre Mutter hat mir gerade erzählt, dass Sie sich der Erziehung von Henrys Hunden angenommen haben.« Max nahm wieder Platz, und sein Lächeln wirkte aufrichtig. »Vielleicht haben Sie einen neuen Beruf gefunden.«
»Mein alter Beruf gefällt mir eigentlich ganz gut«, erwiderte sie trocken. Seit ihrem Gespräch mit Louie hatte sie intensiv über das leer stehende Gebäude in der Innenstadt nachgedacht, jedoch keine Lust gehabt, mit ihrer Mutter über ihre Ideen zu sprechen, solange sie sich nicht sicher war, dass sie es schaffen könnte. Aber nun saß ihr der Mensch, mit dem sie am dringendsten sprechen musste, zufällig am Tisch gegenüber, und ihre Mutter würde es sowieso früher oder später erfahren. »Wem gehört eigentlich das Gebäude neben dem Allegrezza-Bau?« , fragte sie Max. »Es ist ein schmales einstöckiges Haus mit einem Friseursalon im Erdgeschoss.«
»Ich glaube, Henry hat diesen Block an der Ecke First/Main Ihnen hinterlassen. Warum?«
»Ich will den Salon wieder neu eröffnen.«
»Ich halte das für keine gute Idee«, warf ihre Mutter ein. »Es gibt doch so viel anderes, was du machen kannst.«
Delaney ignorierte sie. »Wie gehe ich da am besten vor?«
»Zunächst einmal brauchen Sie ein kleines Geschäftsdarlehen. Die Vorbesitzerin ist verstorben, deshalb müssen Sie den Anwalt kontaktieren, der die Erben vertritt, um den Wert des Salons zu bestimmen«, legte er los. Als er eine halbe Stunde später fertig war, wusste Delaney genau, was sie tun musste.
Am Montag würde sie als Erstes der Bank einen Besuch abstatten, die ihr Geld treuhänderisch verwaltete, und ein Darlehen beantragen. Soweit sie es beurteilen konnte, hatte ihr Plan nur einen Haken. Der Salon lag neben Nicks Baufirma. »Kann ich die Miete des Gebäudes nebenan erhöhen?« Vielleicht konnte sie ihn hinauszwingen.
»Erst wenn der laufende Mietvertrag ausläuft.«
»Und wann ist das?«
»Ich glaube, erst in einem Jahr.«
»Verdammt.«
»Bitte keine Kraftausdrücke«, ermahnte ihre Mutter sie und tätschelte beschwichtigend Delaneys Hand. »Wenn du ein kleines Geschäft aufmachen willst, könntest du doch einen Geschenkladen eröffnen.«
»Ich will aber keinen Geschenkladen eröffnen.«
»Du könntest ihn noch rechtzeitig eröffnen, um Weihnachtsgeschirr von Spode zu verkaufen.«
»Ich will aber kein Geschirr verkaufen.«
»Ich halte das für eine wunderbare Idee.«
»Dann mach du’s doch. Ich bin Friseurin, und ich will den Salon in der Innenstadt wiedereröffnen.«
Pikiert lehnte Gwen sich in ihrem Stuhl zurück. »Du machst das nur, um mich zu ärgern.«
Das stimmte nicht, doch sie hatte lange genug mit ihrer Mutter zusammengelebt, um zu wissen, dass sie nur kindisch wirken würde, wenn sie widersprach. Mit Gwen zu diskutieren, war manchmal, wie mit einem Fliegenfänger zu kämpfen. Je heftiger man kämpfte, um sich zu befreien, desto mehr verfing man sich.
Delaney brauchte gute drei Monate, bis sie ihr Darlehen erhalten und den Salon so weit renoviert hatte, dass sie ihn eröffnen
konnte. Die Wartezeit bis dahin überbrückte sie, indem sie eine amateurhafte Studie über das Geschäftsviertel im Stadtzentrum durchführte, wobei ihr Schwerpunkt auf der Anzahl der Kunden lag, die »Helens Haarhütte« betraten. Mit Schreibblock und Kugelschreiber bewaffnet, parkte sie in engen Gassen und bespitzelte Helen Markham, die Angstgegnerin aus ihrer Kindheit. Wenn Lisa nicht arbeiten musste oder gerade mit ihren Hochzeitsplänen beschäftigt war, hatte sie Delaney über sämtliche auffällige Aktivitäten Bericht zu erstatten. Delaney wertete die demografischen Statistiken aus und sammelte visuelle Eindrücke über gelungene und misslungene Dauerwellen. Sie ging sogar so weit, einen falschen englischen Akzent anzunehmen, um nicht von Helen erkannt zu werden, wenn sie telefonisch Erkundigungen einzog, was ihre Konkurrentin fürs Nachfärben berechnete. Doch erst als sie sich eines Abends in Helens Müllcontainer wiederfand, weil sie überprüfen wollte, welche Billigprodukte Helen benutzte, gingen ihr mehrere Lichter zugleich auf. Während sie bis zu den Oberschenkeln im Müll steckte und ihr Fuß
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